piwik no script img

Wand und BodenDüsentriebs Helferlein diskutiert die Moderne

■ Kunst in Berlin jetzt: Elizabeth Peyton, Thomas Schütte, Martin Pfahler, Alexander Schröder

Britpop hat ein weiches Fell. Der Rhythmus rollt gern übernächtigt wie Velvet Underground dahin (bloß die Gitarren kratzen nicht so sehr). Es fiept nervös, und mittendrin stehen Sänger wie Liam Gallagher von Oasis oder sein Bruder Noel mit miserablen Frisuren, die auf Künstler pöbeln und Leute mit Geld. Warum sollte man solche verhuschten Helden malen? Es gibt doch MTV. Seit Elizabeth Peyton eine Art Selbstportrait als Kurt Cobain gemalt hat, gelten in der Kunst die Regeln des Pop. Ein Feld wird abgegrast, schnell und vergänglich. Ausrißhaft bleiben ein paar Images zurück. Insofern passen ihre Arbeiten in die Galerie neugerriemschneider. Dort gibt es Konterfeis der Gallagher- Brüder in Lackfarben und einige Varianten von Jarvis Cocker, im Taxi und auf dem Sofa (liebevoll hat die Engländerin ein Bild des Galeristen Gavin Brown hinzuportraitiert). Karg hängen kleine Formate im weißen Raum und wiederholen bloß, was gute Fotografen für Face, ID oder NME vorab inszeniert haben. Bei Peyton wird der Massenartikel individuell gestutzt und nachgekrakelt. Manchmal ist man über den naiven Schulbuchrealismus einiger Darstellungen erstaunt, die vor 20 Jahren ganz gut in eine Bluesrockkneipe gepaßt hätten. Hier aber geht es um Hipness – Peyton ist die Partnerin vom Diskurskünstlerkoch Rikrit Tirvanija. Auch das ist amüsant. Zur Eröffnung kam eine Delegation junger Neo-Konzeptualisten, starrte verdutzt auf die schlichten Bilder und schüttelte ihm die Hand: „Gute Ausstellung, Rikrit.“ Aber das wird schon noch, selbst in Berlin.

Bis 10. 5., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Goethestraße 73.

Zitty ist enttäuscht, der Tagesspiegel findet's märchenonkelhaft: Thomas Schütte hat seine Doppelausstellung im daad und bei Gebauer & Thumm mit zarten Lilienaquarellen, getuschten Portraits und Projektskizzen bestückt. Nun muß der ehemalige Richter-Schüler Schmähungen aushalten: „Rohrkrepierer mit Memento mori, die einen an sich selbst delegieren“ (Katja Reissner). Das aber ist wahr und gehört bei allem Vorbehalt gegenüber der figurativ betulichen Künstlermappenkunst zum Konzept. Denn Schüttes Arbeiten richten sich, statt nach Ideen, immer an den Betrachter. Drei kleine Installationen spielen dieses Verhältnis bei Gebauer&Thumm durch. Zwischen feinen Lilien auf Pergament stehen Aluminium-Figuren wie auf einer Bühne. Ihre Körper sind verdreht, eine Mischung aus Wilhelm Busch, Michelin-Männchen und Düsentriebs Helferlein; die Haltung ist stets konzentriert, fast scheinen sie über die Zeichnungen zu diskutieren. Aufgebracht rudert der eine mit den Armen, während ein anderer auf dem Boden lümmelt. Offensichtlich spielt Schütte hier Eindrücke aus dem Betrieb durch, die ihm sonst fehlen, wie er sagt. In Berlin wären ihm eher „Zuhältertypen“ begegnet, die sich „nur fürs Geschäft interessieren“. Also beugt er vor: Die Zeichenbücher im daad sind als Museumsstücke hinter Glas, die Blumen und Gesichter wirken doppelt zurückgenommen. Schütte nimmt damit den Fotozyklus „Großes Theater“ von 1981 wieder auf. Damals hatte er Püppchen vor riesigen Prospekten drapiert, deren Slogans wie „Harmonie“, „Sicherheit“ oder „Fortschritt“ die Kulisse abgaben. Jetzt bildet der eigene Künstlerstatus die Folie, und neben den Lilien stehen Kommentare – „doof“ oder „tot“. Vielleicht ist es diese Eigenmächtigkeit im Vorgriff auf die Urteilskraft, die die Kritik wurmt.

Bis 5. 5. Kurfürstenstraße 58, bis 27. 4. Torstraße 220.

Martin Pfahlers „Niemandsland“ liegt gleich um die Ecke, am Alex oder in der Fußgängerzone am Steglitzer Kreisel. In der Galerie Acud hat er Objekte installiert, die sich ins Stadtbild fügen und doch der Warenwelt angehören. Sein besonderes Augenmerk gilt Einkaufstüten, aus Liebe zum Beutel wurden Taschen aus Pergamentpapier für Architekturentwürfe im Raum verteilt, die mit hochkopierten Fingerspuren im Staub bedruckt sind, als wollte Pfahler der Funktion nachspüren. Im Eingangsbereich finden sich obskure Fake-Produkte von „Plus“ und Kartons mit der Aufschrift „Handschellen“, die in Form von Ytong-Steinen verpackt wurden. Gegenüber hängt ein öffentlicher Aschenbecher namens „Compact Boy“ als Nachbau aus MDF-Platten an der Wand, ganz nach der Art, in der auch Tobias Rehberger Alltagsreliquien ebenso unspektakulär gestaltet. Schon zwischen diesen wenigen hybriden Dingen bewegt man sich fremd wie im trist modernisierten Ostberliner Stadtraum. Dabei ist ihm eine L-förmige Bank besonders sanft geraten, das graustichig braune Holzobjekt scheint fast zu schweben. Pfahler betrachtet Urbanität nicht als Konflikt, sondern mit Gelassenheit.

Bis 2. 5., Mi.–Fr. 15–18, Sa. 12–15 Uhr, Veteranenstraße 21.

Es liegt nicht am Motorrad, daß man an Dennis Hopper denkt. Die ganze Eingangssequenz zu „Motel“, die staubigen Täler, das Sonnenlicht ist frei nach „Easy Rider“ geschnitten. Später sollen einem weiße Jeans und Lederwesten klarmachen, daß hier gleich Warhols Truppen um die Ecke tingeln könnten. Dann gibt es Faßbinder-Knaben, Godard-Miezen und ins Leere driftende Dialoge á la Werner Herzog. Kunstfilm der 70er Jahre eben, Rückeroberung der Zitadelle. Das Laienspiel ist in Alexander Schröders Video noch steifer und, wie man sagt, bedeutungsentleerter ausgefallen. Der Kopiervorgang steht für den 1968 geborenen „Neu“-Galeristen und Ex-„Freie-Klasse“-Gänger im Zentrum. Renaissancemalern gleich nimmt er Bilder und verbessert sie. „Motel“ ist nur sekundär an den Konfliktlinien der Seventies interessiert: Individuum, Gesellschaft, Ichfindung, Gruppenzwang. Bei Schröder werden statt dessen Gesten und Details hervorgehoben und zu schöner Form aufgeblasen. Ästhetisch pumpt ein junger Mann mit nacktem Oberkörper wie ein Albatros vor einer gelblichen Wand, während andere dabei im Nacken zucken. Das ließe sich auch in Performances der Zeit bei Vito Acconci finden. Oder in Gainsbourgs Film „Je t'aime“. Je begeisterter Schröder die verschiedenen Medien liest, desto kühler und ironischer werden die Überbleibsel. Die Architektur nennt so was „kritische Rekonstruktion“. Und Schröder baut dazu Hochhäuser aus Modellflugzeugholz.

Bis 16. 4., Sa. 12–15, Mo./Di. 14–19 Uhr, Brunnenstraße 44 Harald Fricke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen