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Der Männerverein leistet sich eine leise Frau

■ Vielleicht merkt's ja keiner: In aller Stille hat der DFB mit Tina Theune-Meyer zum erstenmal eine Frau zur alleinigen Cheftrainerin seiner Kickerinnen gemacht

Frankfurt/Main (taz) – Wollen wir mal glauben, „daß das alles ein bißchen dumm gelaufen ist“. Und wollen wir mal glauben, daß Willi Hink, der neue Verantwortliche beim DFB für Schiedsrichterwesen und Frauenfußball, nicht weiß, „wie das passieren konnte, denn eigentlich wollten wir mit der Bekanntgabe noch etwas warten“. Plötzlich stand jedenfalls als kleine Notiz im offiziellen DFB-Journal, daß nach den Olympischen Spielen in Atlanta Tina Theune-Meyer die Nachfolge von Frauenfußball- Bundestrainer Gero Bisanz antreten werde – mit Rekordnationalspielerin Silvia Neid als Assistentin.

Statt die veritable Nachricht, daß zum erstenmal in der Geschichte des DFB eine Frau Cheftrainerin wird, offensiv zu verkaufen, dachten sich die Verantwortlichen: Vielleicht merkt's ja keiner – und schwiegen. Treffender können salbungsvolle Sonntagsreden zum Frauenfußball nicht entlarvt werden.

„Frauen aus dem Abseits – erobert den DFB“, so lautete vor Jahren ein Plakatmotiv, das die Schwester von Christina Theune- Meyer vor Jahren entworfen hatte. Doch eine Festung wie der DFB läßt sich nicht so einfach schleifen, da muß man sich erst von hinten reinschleichen. Dabei manchmal nicht erkannt zu werden ist nichts Ungewöhnliches: „Daß ich schon seit vier Jahren nicht mehr Assistentin, sondern gleichberechtigte Bundestrainerin neben Gero Bisanz bin, hat auch kaum jemand gemerkt.“ Doch Tina Theune- Meyer (42) ist niemand, die sich darüber lautstark aufregen würde. Mag sein, daß sie solche Ignoranz ärgert, aber sie läßt es sich nicht anmerken. Die Frau aus Frechen war die erste Fußballehrerin und wird die erste DFB-Cheftrainerin sein – trotzdem grenzt ihr Verhalten manchmal an Selbstverleugnung. Mit Absicht, denn „mit lautstarken Forderungen erreicht man beim DFB nichts“. Das weiß sie aus Erfahrung. Andererseits hat sie deutlich gemacht, daß sie unter einem anderen Cheftrainer nicht mehr zur Verfügung stehen würde, und damit den DFB in Zugzwang gebracht. Fakt ist: Niemand kennt sich so gut im Frauenfußball aus wie sie, die in ganz Deutschland alles zwischen 12 und 32 beim Namen rufen kann, das einen Ball geradeausschlagen kann. Ein männlicher Headcoach hätte ohne sie ganz von vorne anfangen müssen.

In der „ran“-Welt allerdings werden bekanntlich die leisen Töne gnadenlos überdröhnt. Gero Bisanz wurde und wird von seinesgleichen wenigstens noch als Mann akzeptiert, Tina Theune-Meyer ist keiner und muß dieses Manko mit dreifacher Kompetenz ausgleichen. Und sie muß mit der Aussicht leben, daß in Zukunft ihre Assistentin Silvia Neid der Liebling der Medien sein wird. Das wurde schon bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt deutlich. Am Donnerstag beim 2:0 im EM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei in Unterhaching durfte Theune-Meyer schon mal „üben“ – Gero Bisanz war verhindert. In den Kameras der ARD war jedoch hauptsächlich Neid (32) zu sehen, die wegen einer Verletzung pausieren mußte. Selbst Hans-Hubert Vogts hat ein Faible für die Rekordnationalspielerin (105 Länderspiele) und Vorzeigefrau. Und niemand anders als der Bundestrainer persönlich brachte sie als Assistentin ins Spiel: „Herr Vogts hat mich mal vor einiger Zeit deswegen angesprochen“, erzählt Silvia Neid. Vogts ist eben kein Bürokrat. „Daß ich in diesem Bereich keine Erfahrung habe“, sagt Neid, „scheint ihn nicht zu stören.“ Die könne sie ja nachholen, und damit ist sie gerade beschäftigt. Im Mai macht sie die A-Lizenzprüfung, die Fußballehrerausbildung soll folgen. Die Entscheidung nach dem „Beckenbauer-Prinzip“ findet sie „ungewöhnlich, aber so eine Chance bekommt man selten“.

Das gilt auch für den DFB. Idole von heute – Trainerinnen von morgen. Eine ganz neue Qualität der Kontinuität im bislang geschichtslosen Frauenfußball? Doch damit ist es nicht getan. Der Frauenfußball steht vor einem großen Umbruch. Die Zeiten sind vorbei, in denen den Deutschen die internationalen Erfolge nur so zugeflogen sind: „Wir werden in Zukunft andere Wege gehen müssen“, sieht selbst Willi Hink ein, „um im Geschäft zu bleiben.“ Die Konkurrenz in Norwegen, Schweden, den USA und China arbeitet längst in professionellen Strukturen. Vor Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen werden die Teams für mehrere Wochen zum Üben geschickt. In Deutschland dagegen dauert die nur 18 Spieltage dauernde Bundesliga fast ein Dreivierteljahr. Geht es dann auch noch zum Nationalteam, müssen viele der Spielerinnen um ihren Arbeitsplatz bangen.

Die beiden deutlichen Niederlagen (0:6, 0:2) vor kurzem gegen die USA haben gezeigt, daß die alten Strukturen nicht mehr ausreichen. Frau braucht: So einiges. Angefangen mit einer eingleisigen Bundesliga über eine finanzielle Absicherung der Nationalspielerinnen bis hin zu einem Trainerstab: Eine Trainerin mit einer Azubi für alle Auswahlteams, das mag man anderswo für einen Witz halten.

Tina Theune-Meyer ist um ihren zukünftigen Job nicht zu beneiden. Noch ist unklar, ob der DFB sie will, damit sie alles Nötige durchsetzt. Oder damit alles schön ruhig bleibt. Daß sie das volle Vertrauen des DFB genießt, das ist jedenfalls nicht zu glauben. Matthias Kittmann

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