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PVC-Gas führte zu Flughafendesaster

■ Durch Funkenflug in Brand geratene PVC-Leitungen entwickelten die tödlichen Gase auf dem Düsseldorfer Airport. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen verantwortliche Firma. Flughafen bleibt bis Montag geschlossen

Düsseldorf (dpa/AP/taz) – Die Brandkatastrophe auf dem Düsseldorfer Rhein- Ruhr-Flughafen mit 16 Toten ist durch Schweißarbeiten ausgelöst worden, die PVC in Brand setzten. Das teilten Staatsanwaltschaft und Polizei gestern in Düsseldorf mit. Gegen die verantwortliche Firma, die für die Arbeiten ein Subunternehmen engagiert hatte, wird wegen fahrlässiger Brandstiftung und fahrlässiger Tötung ermittelt. Nach den Feststellungen der Ermittler hatten die Arbeiter am Donnerstag nachmittag versucht, Dehnungsfugen auf der Zufahrtstraße über dem Abflugdeck zu verschweißen. Dabei sei es bei der Erhitzung von Bitumen offenbar zu einem Funkenflug gekommen, der die PVC- Ummantelung einer Leitung in Brand gesetzt habe. Die Stadtverwaltung präzisierte, Bitumen sei „brennend in die Zwischendecke getropft“. Über Kabel und Dämmaterialien breitete sich das Feuer rasend schnell aus.

Binnen Sekunden rollte eine Feuerwalze in den Terminal, wo sich Hunderte von Fluggästen und Besuchern aufhielten. 16 Menschen erstickten und verbrannten in Liften, auf einer Toilette und in einer VIP-Lounge. Es handelt sich um sieben Deutsche, sechs Franzosen, zwei Italiener und einen Briten. 62 Menschen wurden verletzt, zwei von ihnen schwebten gestern noch in Lebensgefahr.

Um 15.32 Uhr erhielt die Flughafenfeuerwehr Nachricht von dem Brand. Es dauerte allerdings noch geschlagene 27 Minuten, bis die Feuerwehr der Stadt Düsseldorf um Hilfe gerufen wurde. Erst um 16.07 Uhr trafen schließlich erste Einsatzkräfte aus Düsseldorf am Flughafen ein. „Da war die Geschichte schon gelaufen“, sagte später ein Feuerwehrsprecher.

Jetzt steht der Brandschutz am Düsseldorfer Flughafen auf dem Prüfstand. Oberstaatsanwalt Rolf Chanteaux schloß gestern nicht aus, daß Bestimmungen vernachlässigt wurden. Der Brandschutzexperte Ernst Achilles zeigte sich verwundert, daß sich das Feuer so schnell ausgebreitet hatte. Achilles sagte, offenbar seien die Lüftungsanlagen nicht mit Abtrennungen oder selbstschließenden Brandschutzklappen versehen gewesen. Fraglich sei zudem, ob sich in dem Raum zwischen der Abhäng- und der Betondecke leicht brennbares Material befunden habe.

Die meisten der 16 Opfer starben der Feuerwehr zufolge an Rauchvergiftung, viele von ihnen fuhren in Aufzügen ihrem Tod entgegen. Nach Angaben eines Flughafensprechers entstanden Gase bei der Verbrennung des Kunststoffs PVC, aus dem die Hüllen der Kabel bestanden hätten. Roland Fendler vom Öko-Institut in Darmstadt verlangte im taz-Interview deshalb, daß in Gebäuden mit Publikumsverkehr nur PVC-freies Material Verwendung finden dürfe. Nordrhein-Westfalens Innenminister Franz-Josef Kniola will die Brandschutzbestimmungen überprüfen. Man müsse „sehen, ob hier die Normen für den vorbeugenden Brandschutz zu verändern sind“, erklärte er.

Der Rhein-Ruhr-Flughafen – zweitgrößter Airport Deutschlands – wird mindestens bis einschließlich Sonntag völlig geschlossen bleiben. Bis dahin müssen rund 160.000 Passagiere vor allem nach Köln/Bonn und auf mehrere Regionalflughäfen umgeleitet werden. Seite 4

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