: Neues Kleid für altes Haus
■ Noch werkeln Handwerker an der „Glocke“/ Bald Wiedereröffnung mit alter Akustik und Gastronomie Glockengarten
Eine „schwingende Zigarrenkiste“ sei die „Glocke“, und genau das sorge für ihre weithin gerühmte akustische Qualität. Daß aus der schwingenden Zigarrenkiste nach der Sanierung eine taube Nuß wird, ist unwahrscheinlich. Doch eine 100-prozentige Garantie, daß die „Glocke“ auch im nächsten Jahr noch so klingt wie früher, konnte Geschäftsführer Andreas Schulz bei der gestrigen Pressekonferenz auch nicht geben, „leider“.
Bereits seit über einem Jahr sind die Sanierungs- und Umbauarbeiten in vollem Gange, damit sich Ende Januar 1997 das Konzerthaus in der Innenstadt in neuem Glanz präsentieren kann. Alles wird anders und doch genau so, wie es der Bremer Architekt Walter Görig vorgesehen hatte, als die „Glocke“ am 20.Oktober 1928 im Art déco-Stil eröffnet wurde. Mit den Umbaumaßnahmen – 32 Millionen Mark stehen bereit – sind die Architekturbüros Müller-Menckens und Rosenbusch betraut – freilich mit nur so viel kreativem Spielraum, wie die Denkmalschutz-Auflagen lassen.
Die Holz-Paneele, die den Großen Saal verkleiden, werden derzeit sorgfältig restauriert, mit Schellack bestrichen und wieder auf das Mauerwerk aufgesetzt – mit demselben Abstand, der mitverantwortlich für den guten Klang im Saal ist. Die Bestuhlung wird komplett ausgetauscht, die neuen Sitzreihen sind versetzt angeordnet. Der Große Saal mit seinen 1452 Plätzen wird ab Saalmitte stufenlos ansteigen und über ein zweites Treppenhaus zu erreichen sein. Die Garderobe wird ins Untergeschoß verlegt, wo auch „Umkleide-, Sanitär- und Einspielräume“ für bis zu 120 MusikerInnen entstehen, damit man sich „für diesen Bereich nicht mehr entschuldigen muß“, so Schulz. Das Foyer präsentiert sich geräumiger und bietet Platz für einen dritten Veranstaltungsort mit Konzerten, Ausstellungen und Workshops. Außen sollen historisierende Kandelaber die Aufmerksamkeit stärker auf die Glocke-Fassade an der wenig einladenden Domsheide lenken
Auch die Gastronomie wird reaktiviert: Ein Restaurant mit 110 Plätzen ist im Erdgeschoß der „Glocke“ untergebracht, und auch in der Oase des Glockengartens wird man sich künftig wieder – nicht nur zu Konzerten – niederlassen können. Frische, leichte Kost auf einer kleinen Karte will Pächter Gerhard Pauls (Hotel Munte am Stadtwald) anbieten. Wobei allerdings die Räumlichkeiten in der „Glocke“-Küche so klein sind – Platz ist bloß für zwei Köche – , daß alle angebotenen Speisen im Hotel Munte „vorproduziert“ und dann in die City gebracht werden müssen.
Wiedereröffnet wird das Konzerthaus im Januar mit 14-tägigen Festprogramm – und erweitertem Konzept. Schulz ist auf der Suche nach jüngerem Publikum, das mit pädagogischen Projekten an das Haus mit dem noch ziemlich verstaubten Image gebunden werden soll. Beispiel: Im neuen Foyer der „Glocke“ können Kids bei den Proben der „European Chamber Association“ dabei sein, die dann am Abend im Saal zu sehen sind – Musikgenuß zum Anfassen. Ein – lange vermißtes – Veranstaltungsverzeichnis sorgt ab '97 für mehr Übersicht, im Eingangsbereich siedelt sich eine Vorverkaufsstelle des Ticket-Service-Center an.
Das Vermietungsgeschäft wird nach wie vor mit 80-90 Prozent den Löwenanteil der Glocke-Aktivitäten ausmachen; zu 10-20 Prozent besteht das Programm aus eigenen Veranstaltungen. Wichtig dabei, so Andreas Schulz, Synergie, creative partnership und der Aufbau einer corporate identity. Zu deutsch: Kooperation unter den Konzertveranstaltern statt massiver Konkurrenz soll („Klassik ist unheimlich teuer geworden“) hochklassige Ensembles in der „Glocke“ finanzierbar machen; ein wiedererkennbares werbliches Erscheinungsbild die Bedeutung der „Glocke“ als Bremens einzigem Konzerthaus unterstreichen.
Trotz aller zur Wiedereröffnung geplanter Highlights – bei den Namen der anreisenden Stars hält sich Andreas Schulz noch bedeckt – steht die „Glocke“ „weiterhin allen Bremer Kultureinrichtungen und Veranstaltern offen“. Offen sind die zwei Säle (der kleine hat 450 Plätze) auch mal für Angelo Branduardi oder das Scottish Folk Festival. Und für sieben StudentInnen der Hochschule für Künste, die derzeit unter Professor Fritz Haase den Umbau fotografisch und zeichnerisch dokumentieren. Zu sehen zur Eröffnung im Foyer der „Glocke“.
Alexander Musik
„Glocke“-Nostalgiker mit der festen Überzeugung, so wie früher klingt's nie wieder, können sich mit dem Ankauf des alten Gestühls – en détail oder en gros – trösten. Anfragen an die Glocke Veranstaltungs-GmbH, Postfach 10 54 20, 28054 Bremen.
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