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„Der männliche Blick ist das Problem“

■ Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten fordert radikale Verkürzung der Arbeitszeit und eine bedarfsgerechte Umorientierung der Wirtschaft

Nürnberg (taz) – „Was macht der VW-Arbeiter am fünften Tag, wenn er frei hat?“ Eine Frage, die die 350 kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten auf ihrer 11. Bundeskonferenz in Nürnberg nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken bringt. Doch dieses „kulturpolitische Problem der Sinnfindung für den Mann“ zu lösen, sehen sie nicht als ihre vorrangige Aufgabe an. „Arbeit an der Zukunft“ ist das Thema, und da sieht es für die Frauen wahrlich nicht rosig aus.

Nahezu die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Deutschland verdiente 1994 weniger als 1.800 Mark netto im Monat, zuwenig um ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Die Durchschnittsrente einer westdeutschen Frau, die 45 Jahre Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt hat, betrug zu Beginn des Jahres 1996 schlappe 796 Mark. Und jetzt, so die Konferenzteilnehmerinnen, würden gerade in Bereichen, in denen zu einem großen Teil Frauen beschäftigt sind, Arbeitsplätze abgebaut.

„Die bloße Eingliederung von Frauen ins Erwerbsleben führt nicht zu einer menschlichen Gesellschaft“, heißt es in der einstimmig verabschiedeten „Nürnberger Erklärung“. Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte von Kiel und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros, plädierte deshalb für einen „neuen Geschlechter- und damit Gesellschaftsvertrag“. Es müsse Schluß sein mit der Aufteilung in „Haupternährer und Dazuverdienerin“. Neben einer „Synchronisierung aller Zeitvorgaben im öffentlichen Leben“, einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und einer Aufwertung zeitintensiver Bereiche wie Kindererziehung und Pflege forderten die Frauenbeauftragten eine „radikale Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit“. Die im Entwurf enthaltene Vorgabe von 30 Wochenstunden fand sich in der verabschiedeten Fassung jedoch nicht mehr.

„Schlechte Zeiten sind manchmal besser als gute, um Fortschritte zu erzielen“, machte Luc Jochimsen, Chefredakteurin beim Hessischen Rundfunk, als Moderatorin der Abschlußdiskussion den Frauen Mut. Den brauchen sie auch, denn, so die Hamburger Professorin Frigga Haug, die Situation der Frauenbeauftragten könne man angesichts der „grauenvollen Krisen“ nur als „abenteuerlich“ beschreiben. Für eine sinnvolle Gleichstellungspolitik sei letztendlich eine Umorientierung hin zu einer bedarfsorientierten Wirtschaft und damit eben „eine andere Gesellschaft“ vonnöten.

„Der männliche Blick ist nicht Teil des Problems, er ist das Problem“, betonte die PDS-Bundestagsabgeordnete Christina Schenk und zitierte als Beweis genüßlich den sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. Der mache die „übersteigerte Erwerbsneigung der Frauen“ für die Probleme der Männer auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich.

Während die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Ulla Schmidt, die Quotierung auf allen Ebenen forderte, glaubte Cornelia Pieper, FDP-Chefin von Sachsen-Anhalt, daß eine Quotierung vor allem mittelständische Betriebe in die Pleite reiten würde. Die Empörung der Anwesenden war ihr gewiß. Zuletzt versprach auch noch CDU-Bundesvorstandsmitglied Irmgard Vogelsang, sich „überall für die Frauen einzumischen“. Bernd Siegler

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