: Der reisende Löwe
■ Der "Flensburger Löwe" von Heckeshorn ist die Kopie eine Kriegsbeute der Preußen, die die Dänen 1945 wiederbekamen. Ausstellung im Rathaus Zehlendorf
Die Geschichte ist durch den Lauf der Geschichte verwickelt. 78 Jahre lang stand ein Löwendenkmal in Berlin. An seinem ursprünglichen Aufstellungsort Flensburg war es nur zwei Jahre, die restlichen Jahre seit 1945 hat es in Kopenhagen verbracht.
Die Rede ist von der in Dänemark „Idstedt-Löwe“ genannten Miezekatze, deren Kopie seit vielen Jahrzehnten von der Straße Am Heckeshorn auf den Wannsee blickt. In Berlin spricht man nur vom „Flensburger Löwen“. Die abenteuerliche Geschichte des Originaldenkmals hat 1995 der Geschichtsleistungskurs des Flensburger Auguste-Victoria-Gymnasiums in einer kleinen Ausstellung nachvollzogen.
„Der Idstedt-Löwe 1945. Von Berlin nach Koopenhagen“ ist der Titel der Ausstellung im Rathuas Zehlendorf. Der Idstedt-Löwe ist wohl das beste Beispiel für die unübersichtliche deutsch-dänische Geschichte des vorigen Jahrhunderts. 1849/50 probten die Schleswig-Holsteiner, die damals zu Dänemark gehörten, den Aufstand und wurden vom dänischen Heer bei Idstedt (Nähe Schleswig) vernichtend geschlagen. Erst zwölf Jahre später ließen die siegreichen Dänen auf dem Alten Friedhof in Flensburg ein Siegesdenkmal, besagte Großkatze des Bildhauers Bissen, aufstellen. Lange hat der Löwe die Toten der Idstedt-Schlacht nicht bewacht. Nach dem deutsch-dänischen Krieg 1864 zersägten die Preußen den Bronze-löwen und transportierten ihn 1867 nach Berlin, wo er zuerst im Zeughaus und dann in der Hauptkadettenanstalt Lichterfelde (später Andrews Barracks, jetzt Bundesarchivgelände) landete.
In einem abenteuerlichen Coup, den der dänische Journalist Ringsted eingefädelt hatte, transportierten die US-Amerikaner den Löwen im Oktober 1945 nach Kopenhagen. Dort steht er nun als dänisches Nationaldenkmal und harrt der Rückkehr nach Flensburg.
Und was hat der Wannsee- Löwe damit zu tun? 1874 ließ der Berliner Bankier Wilhelm Conrad eine Zinkkopie des Originaldenkmals für die Villenkolonie Alsen, am Rande des Wannsees, fertigen. Auf dem Hügel über der Siedlung stand der Löwe, bis er, fast vergessen und total zugewachsen, 1938 an den heutigen Platz am Heckeshorn versetzt wurde.
Dort rostet er jetzt vor sich hin. Der Zehlendorfer Bürgermeister Eichstädt sagte bei der Eröffnung, daß er es vermeide, die Baustatiker zum Denkmal zu schicken. Wer weiß, was die alles finden würden. Jürgen Karwelat
Ausstellung bis 9.Juni, Kirchstraße 1–3, montags bis freitags 8–18 Uhr
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