: Ohne Gebühren geht es nicht
■ Ein Beitrag von Studierenden ist sinnvoll, wenn er sozialverträglich erhoben wird
Um die chronische Unterfinanzierung des deutschen Hochschulsystems angesichts leerer Kassen zu heben, plädiere ich für einen sozialverträglichen Beitrag der Studierenden. Für die Einführung von Studiengebühren sprechen meiner Meinung nach vier Argumentationsstränge. Da wäre erstens ein verteilungspolitisches Argument: Da der Anteil an Studierenden aus höheren Einkommensschichten weiterhin eindeutig dominiert, finanzieren einkommensschwächere Steuerzahler eine Ausbildung, die darüber hinaus zu höherem Einkommen führt. Damit ergibt sich eine Umverteilung von ärmeren auf reichere Schichten. Das ist unsozial.
Hinzu kommt zweitens ein hochschulpolitisches Argument: Wenn Studierende Geld in die Hochschulen bringen, wird es zu einem Wettbewerb um Studierende zwischen den Hochschulen kommen. Dieser Wettbewerb wird über die Lehrleistungen und zukünftige Berufs- und Einkommenserwartungen geführt werden. Die Hochschulen müssen also ihre Lehre attraktiv gestalten und studienorientiert ausrichten. Da die Studierenden die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen beseitigen würden, können sie zu Recht für ihr Geld auch etwas verlangen. Drittens gibt es ein bildungspolitisches Argument: Die Befürchtung, daß durch derartige Beiträge insbesondere bildungsärmere Schichten vom Studium abgeschreckt werden, läßt sich aufgrund ausländischer Erfahrungen, etwa in der Schweiz oder in Australien, nicht bestätigen. Dort sind die Studienanfängerzahlen nach Einführung von Gebühren konstant geblieben.
Und schließlich muß ein finanzpolitisches Argument berücksichtigt werden: Der Gefahr, daß der Staat die bisherigen Zuwendungen an die Hochschulen um den Studierendenbeitrag kürzt, muß durch eine Koalition der Studierenden und ihrer Eltern sowie der Hochschulangehörigen begegnet werden. Der Staat müßte zu jeder Mark eines Studierenden 4,50 Mark hinzuzahlen. Mit der Einrichtung eines „Studienfonds zur Qualitätssicherung der Hochschulen“ (DSF) wollen wir die dringend nötigen „Drittmittel für die Lehre“ beschaffen. Jeder Studierende soll sich mit 2.000 Mark pro Jahr an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen. Studierenden, die die Summe nicht sofort aufbringen können, stellt der DSF ein entsprechendes Darlehen zur Verfügung. Das Darlehen wäre erst nach dem Einstieg ins Berufsleben über die Einkommenssteuer zu tilgen. Durch dieses unbürokratische Verfahren würde zudem die notwendige Sozialverträglichkeit gewährleistet: Arbeitslose Hochschulabsolventen oder Akademiker mit geringem Einkommen müßten zunächst nicht zurückzahlen. Somit wäre zwar jeder Studierende zahlungspflichtig, aber nicht zwingend rückzahlungspflichtig. Die Studiengebühren müßten zweckgebunden unmittelbar an die Hochschulen fließen. Im Rahmen eines solchen Modells halte ich Studiengebühren für sinnvoll und vertretbar. Detlef Müller-Böling
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