Press-Schlag
: Franz kommt, wehe uns!

■ Ich, Beckenbauer, muß sich erneut von seiner Unfehlbarkeit überzeugen

Wie es wirklich war, Samstag nacht an der Säbener Straße, kann sich ein jeder denken: Franz Beckenbauer (50), Präsident, hat die Untergebenen überredet, ihn zu überreden, bis Saisonende beim FC Bayern den Trainer zu spielen.

Otto Rehhagel raus (21.54 Uhr), Beckenbauer rein (21.55 Uhr), Giovanni Trapattoni ab 1. Juli Bayern- Trainer (21.56 Uhr) – „das sind Dinge“, sagte der Pressesprecher Markus Hörwick, „die bei uns in kürzester Zeit zu erledigen sind.“

In Wahrheit ist es eine lange Geschichte, die tief im Irrationalen spielt. Also irgendwo in Beckenbauers Kopf. Dort ist, so weit man das weiß, nix fix, alles fließend, und schließt das eine das andere entgegengesetzte niemals aus. Die Planungsphase „Otto, das Ende“ (siehe auch Das Portrait, Seite 11), wenn man denn davon sprechen kann, hat früh begonnen. Man kann es sich sparen, sämtliche „Otto muß weg“-Hinweise aus Beckenbauers Mund im Laufe der letzten Monate aufzulisten.

Tatsächlich wird es so gewesen sein, daß Beckenbauer Rehhagel loswerden wollte, kaum, daß er ihn verpflichtet hatte. Vielleicht sogar schon früher. Spätestens seitdem er davon überzeugt war, daß Otto nicht der war, für den er und seine Knechte ihn in gewohnter Sorglosigkeit gehalten hatten, plagte Beckenbauer ein Alptraum: Der Nichtskönner Rehhagel könnte mit dem FC Bayern Meister und UEFA-Pokalsieger werden. Seitdem konnte der Präsident sich abmühen, wie er wollte: Der in dieser Sache zwanghaft ehrliche Beckenbauer schaffte es nicht mehr, für den Otto ein gutes Wort zu finden.

Oder glaubt einer, daß es Zufall war, daß der premiere-Angestellte Beckenbauer nach monatelanger Abstinenz am Samstag daherkam und plötzlich doch wieder ein Spiel des FC Bayern kommentierte? Und vorher, im Gegensatz zu den Spielen in Barcelona und Nottingham den Spielern nicht extra erklärt hatte, wie Fußball funktioniert?

„So kann man einfach nicht Fußball spielen“, sprach Beckenbauer aber nach der 0:1-Niederlage gegen Hansa Rostock und konstatierte Defizite „eigentlich in allen Bereichen, die es beim Fußball braucht“.

Insbesondere natürlich taktische. Es stimmt ja fachlich auch. Otto Rehhagel, seit dem Bundesliga-Gründungsjahr 1963 in Treue ein Freund der Manndeckung, ließ auch diesmal natürlich Mann gegen Mann decken. „Das“, sagte der Rostocker Torschütze Akpoborie, „war gut für uns. Wir sind sehr schnell.“ Weiß bekanntlich jeder, daß einer allein einen Schnellen, der sich den Ball vorlegt, nicht halten kann. Nur Rehhagel hatte das alles natürlich wieder keiner erzählt. Weiter:

„Der eine oder andere“, sagte Mehmet Scholl, „ist mit den Gedanken nicht so ganz bei der Sache.“ Heißt: Rehhagel hat als Motivator versagt.

„Man hat gesehen“, sagte Thomas Strunz, „daß Rostock ein bißchen fitter war als wir.“ Heißt: Rehhagel hat als Konditionstrainer versagt.

„So kann man vielleicht im Training spielen“, sagte Beckenbauer selbst, „aber nicht in der Bundesliga.“ Heißt: Rehhagel hat keine Ahnung.

Das ist hart für den Mann, der aus Bremen nach München gekommen war, um sich im Fußball-Olymp zur Rechten vom „Franz“ zu postieren. Keine Chance. Möglicherweise fühlte er sich von dem angeblich besten Fachmann Rehhagel arglistig getäuscht – vielleicht aber mag er gar niemanden neben sich dulden. Der Mann, der fußballtechnisch gesprochen, Erfolge realisiert hat, wie sonst keiner, muß sich im Prozeß des Alterns in immer kürzeren Abständen selbst von seiner Unfehlbarkeit überzeugen. Daß die deutsche Fußball/Unterhaltungsbranche von und mit ihm gesteuert wird? Daß sich der Ball, jeder Ball in Deutschland, um den Franz dreht? Der Kick muß her, und die Präsidenten- Dosis reicht dazu nicht. „Ich, Otto Rehhagel habe...“? Weiche, Satan! Nur einer wie er kann alles möglich machen. Um nichts anderes nämlich geht es nun – und ging es immer.

Eigentlich, so muß man historisch betrachtet sagen, hatte Beckenbauer unbewußt-bewußt alles daraufhin gesteuert, sich selbst erneut als den Retter der Meisterschale zu inszenieren. Vor zwei Jahren warf er Erich Ribbeck (Tabellenplatz 2) hinaus – und wurde Meister. Diesmal wird er Meister und UEFA-Pokalsieger. Mittwoch geht's – gegen Bordeaux – los.

Warum? Weil er der Franz ist. Das weiß ganz Deutschland – und wer es nicht weiß, dem wird es ab heute gesagt. „Franz ist das Beste, was Bayern passieren kann. Franz ist das Beste...das Beste...“(zum Beispiel Rummenigge) So bekommt die ganze Sache eine lustige Eigendynamik, die für ihn arbeitet und bis tief ins Unterbewußtsein der Bayern- und sogar in das der Dortmunder Spieler geht.

Franz kommt, wir sind verloren! Doch wehe dem Franz, wenn er diesmal scheitern sollte. Oder strebt er, der nie gefehlt hat, mit aller Macht den befreienden Mißerfolg an? Vielleicht ja, vielleicht nein. Eines ist gewiß: Erstens kommt es nicht soweit, falls aber doch, sind zweitens dann die anderen schuld. Peter Unfried

Lesen Sie ab morgen die große taz-Serie: „Ich, Otto – wie es wirklich war“.