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Liberale Putschisten aus dem Feld geschlagen

■ Jürgen Möllemann ist wieder FDP-Parteichef in Nordrhein-Westfalen. Delegierte zeigten sich ohne Furcht vor der „Narrenschelle“ und setzen auf rot-grünes Theater

Hagen (taz) – Jürgen W. Möllemann ist wieder da. Kaum 18 Monate nach seinem politischen Absturz kehrte der umtriebige Liberale an die Spitze der nordrhein- westfälischen FDP zurück. Seinen Gegenkandidaten half kein Flehen und kein Warnen: Mit 228 gegen 151 Stimmen schlugen sich die Delegierten beim Hagener Parteitag am Samstag erneut auf die Seite des eben noch davongejagten Königs. Von ihm erhofft sich die aus dem Landtag geflogene Partei neuen Schwung, um, so eine Delegierte, „den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit“ zu beenden.

Solches Zutrauen vermochten weder der einstige Möllemann- Bezwinger Joachim Schultz-Tornau („Schuto“) noch der dritte Kandidat Hagen Tschoeltsch zu wecken. Auch der Versuch, die Delegierten durch den Blick zurück auf die „Quertreiberei“ Möllemanns, so Tschoeltsch, zu immunisieren, schlug gründlich fehl. Die von Schultz-Tornau in Aussicht gestellte „Narrenschelle“ für den Fall einer Reinthronisierung des einst von ihnen selbst Geschaßten löste bei den Delegierten weit weniger Schrecken aus, als die Vorstellung auf eine weitere Amtsperiode mit „Schuto“.

Den Überdruß an Vergangenheitsbewältigung, die Sucht, nach vorn zu schauen, das war die Stimmungslage, die Möllemann zu nutzen wußte. Um auch in Nordrhein- Westfalen „die Trendwende zugunsten der Liberalen“ zu schaffen, helfe kein Blick zurück auf „kleinliche Querelen und Taktierereien“, sondern nur der unbedingte Wille, den „Populisten in den drei sozialdemokratischen Parteien, SPD, Grüne und CDU“ Paroli zu bieten. Auf den Spuren von FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle wandernd, entwarf Möllemann in seiner Rede das Bild „einer entschlossenen Reformpartei“.

Tag für Tag, so sein Versprechen, will er nun die rot-grüne „Blockadekoalition“ in Düsseldorf angehen. Solange, „bis der Weg zu vorzeitigen Neuwahlen frei ist“. Schon im Vorfeld des Parteitags hatte er eine Koalition mit der SPD als „Präferenz“ in Aussicht gestellt. Auch diesen „Alleingang“ hielten ihm seine Konkurrenten als Beleg für die mangelnde Teamfähigkeit vor. Doch der Basis war das schnuppe: „Wir haben keinen Besseren als Möllemann“.

Sorgenfalten lösen die sozial-liberalen Gedankenspiele bei der CDU aus. Ihr Landeschef Norbert Blüm kabelte flugs diesen „guten Ratschlag“ an den passionierten Fallschirmspringer: „Plumps nicht auf den sozial-liberalen Landeplatz, sonst ist die CDU die einzige Partei, die für die Regierungsablösung der erschlafften Sozialdemokraten sorgt.“ Walter Jakobs

Kommentar Seite 10

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