■ Der Bremer Vulkan-Konzern hat Konkurs angemeldet: Täter und Opfer Hand in Hand
Wer hat sie verraten? Sozialdemokraten! Eine verstaubte Parole, für die man sich in den letzten Jahren eigentlich nur schämte. In Bremen hat sie auf eine filmreife Art Aktualität erhalten.
Tausende von Werftarbeitern hatten am Dienstag auf die eindringliche Aufforderung der Betriebsräte und IG-Metall-Vertreter hin ein vierseitiges Papier unterschrieben, in dem sie auf alle Rechte aus ihren oft jahrzehntealten Arbeitsverträgen verzichteten. Gewerkschaftliche Errungenschaften? Papierkorb. Noch am Sonntag war das komplizierte Vertragswerk den Arbeitern vollkommen unbekannt gewesen, die Betriebsräte wurden in der Materie erst noch „geschult“.
Daß man vor einer wichtigen Unterschrift eine angemessene Frist beanspruchen kann, um die Rechtslage zu prüfen und sich gegebenenfalls kompetent beraten zu lassen, ist vor jedem Amtsgericht selbstverständlich. Für die Art, mit der Gewerkschaften mit „ihren“ Arbeitern umspringen, gilt das offenbar nicht. Innerhalb von 24 Stunden wurden in Bremen die Arbeiter praktisch genötigt, auf ihre Rechte unwiderruflich zu verzichten. Und das vollkommen ohne Not – seit Wochen war das Ende absehbar –, wenn es denn nicht darum ging, die rechtlich unerfahrenen Arbeiter einfach zu überrumpeln.
Auch was sie dafür eingetauscht haben, weiß im Grunde niemand von denen, die da unterschrieben haben. Ist es nur die trickreiche Verlängerung des Arbeitslosengeldes um 12 Monate „Beschäftigungsgesellschaft“? Oder gibt es wirklich eine Chance auf Perspektive für den Schiffbau an der Unterweser? Seit Monaten erzählen hochbezahlte Manager den Betroffenen, sie arbeiteten an „Konzepten“. Ergebnis: null. Öffentliche Rechenschaft: null. 700 Millionen Mark zusätzliches Bürgschaftsrisiko war dem Land Bremen diese Konzeptarbeit wert.
Niemand hat bis heute Rechenschaft von den SPD- und Gewerkschaftsmitgliedern verlangt, die im Vulkan-Aufsichtsrat die Mehrheit haben. Niemand hat die SPD zur Stellungnahme aufgefordert, deren Wirtschaftspolitik der Ex-Vulkan-Chef Friedrich Hennemann (SPD) beim Aufbau des Konzerns wie bei seinem Abbau durch die Millionensubventionen mitgelenkt hat. Aber am 1. Mai standen sie dann, Täter wie Opfer, Hand in Hand auf der Straße – „für die Zukunft des Schiffbaus an der Unterweser“. Klaus Wolschner
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