Klingeling, Daddeldu und olé olé: Reime und Schläge
■ Vor Reichel hatten bereits andere Pauli-Songs verfaßt / Ein Überblick
Sie gehört zu einem Bundesligaspiel wie die Mannschaftsaufstellung: die Vereinshymne. Von München bis Rostock werden zur Herstellung derselben die gleichen Inhalte verbraten: Verein XY hat eine notorisch tolle Mannschaft (bevorzugter Reim „vor – Tor“) und selbstredend „die besten Fans im ganzen Land“. Zur Identitätsstiftung wird das Ganze mit einer Prise Lokalkolorit und einem Teelöffel Schüttelreim fürs schwache Gemüt angereichert und anschließend mit seichten Klängen verrührt .
Nun ist der FC St. Pauli bekanntlich ein ganz „anderer Verein“: Die Sisters of Mercy, Napalm Death, The Pogues, Die Ärzte sowie But Alive oder die verflossenen Slime sind bekennende oder praktizierende Fans; ihre Musik wird von ebendiesen gerne gehört, doch auf den offiziellen Vereins-CDs treiben andere ihr Unwesen.
Zum Beispiel Andreas Ellermann, der bei „St. Pauli olé“ zur Aussöhnung der Klassengegensätze aufruft: „Wo sind Elbchaussee und St. Pauli gleich, wo ist's egal, ob Du arm oder reich ?“ Ellermann hat's erkannt; dort, wo wir „treu bleiben für alle Zeit“ – am Millerntor. Nach dreimaligem Hören wird der Verdacht zur Gewißheit: Er meint es ernst! Doch der Mann kann auch richtig witzig sein: „St. Pauli ist für alle da und jeder muß mal hin, es liegt in Hamburg-Altona, wo ich geboren bin.“
Ähnlich grausam ist die CD „St. Pauli – Hamburgs Toor zur Welt!“, die durch allumfassenden Minimalismus besticht. Neben zwei Ausschnitten aus Reden von Präsident Heinz Weisener wird auf dem Titelstück ungefähr 328mal bekannt, es gebe „nur ein' Papa Heinz“, das zweite Stück faßt den Inhalt gar schon im Titel zusammen („Heya yippie yeah“), bevor „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ der virtuelle Meuchelmord am Blonden Hans vollzogen wird.
Die dritte, ebenfalls bei der Marketing GmbH erhältliche, CD hat gegenüber den erstgenannten den Vorteil, daß sie hauptsächlich englischsprachige Songs enthält – die 22 Faves der Profis. Hoch im Kurs stehen Kool and the Gang (Fröhling, Gronau und Scharping), Ace of Base (Sobotzik und Böse) und Die Ärzte mit ihrem „Schrei nach Liebe“ (Driller und Hanke).
Beim Fanladen in der Thadenstraße sind derzeit zwei CDs erhältlich. „Wir verkaufen nur Sachen, hinter denen wir auch stehen“, beschreibt Leiter Sven Brux das eigene Sortiment. Zunächst „Party am Millerntor“ von den Zwei lustigen drei. Deren Texte hinterlassen zwar gleichfalls einige Fragezeichen („Springer, Scharping, Sobotzik, ja, ich liebe diesen Kick“), doch nach der bisher genossenen Drumcomputer-Orgie erfreut zumindest der Einsatz leibhaftiger Instrumente.
Bei der „Auf ein Lied, FC“-CD ist es nicht weiter tragisch, wenn man nach „You–ll never walk alone“ (Rubbermaids) die Repeat-Taste drückt, es sei denn, mensch kann den Orgel-Stücken des 84jährigen Martin Bernitt, dem „St. Pauli-Rap“ oder „1:0 am Millerntor“ etwas abgewinnen.
Doch so oft bei allen Stücken das Wort „Millerntor“ beschworen wird: Morgen wird im Volkspark gespielt. Christoph Ruf
Die CDs „Aufstiegs-Remix“ von Carsten Pröpper et al. wurde nicht rezensiert, weil sie vergriffen ist. .
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