Banken lassen Reuter hängen

■ Enthaltung bei Entlastung des Daimler-Vorstands

Berlin (taz) – Wegen der gigantischen Verluste des Daimler- Benz-Konzerns von 6,5 Milliarden Mark im Jahr 1995 gehen drei Großbanken jetzt auf Distanz zu dem angeschlagenen Unternehmen. Die Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank wollen mit einem Teil ihrer Daimler- Aktien bei der Hauptversammlung am 22. Mai nicht für Entlastung des gescheiterten Vorstands und Aufsichtsrats stimmen.

Dieser Vorgang ist in der deutschen Firmengeschichte nahezu ohne Parallele. Die drei Institute haben die AktionärInnen, deren Daimler-Anteile sie in den Bankdepots verwalten, um eine genaue, schriftliche Anweisung im Hinblick auf die Entlastung gebeten. Damit wird die Zahl der Neinstimmen sprunghaft steigen. Erklären die AktionärInnen hingegen nicht, ob sie für oder gegen die Entlastung der Führungsgremien votieren, enthalten sich die Banken.

Brisant ist dabei auch, daß die drei Institute ihren eigenen Vorstandsvorsitzenden, die im Daimler-Aufsichtsrat arbeiten, teilweise die Unterstützung entziehen. So werden etwa Hilmar Kopper, in Doppelfunktion Vorstandschef der Deutschen Bank und Aufsichtsratschef bei Daimler, einige Stimmen zur Entlastung fehlen.

Trotzdem wird die Entlastung des ehemaligen Daimler-Vorstands Edzard Reuter, der im Mai 1995 von Jürgen Schrempp abgelöst wurde, wohl zustande kommen. Zusammen mit anderen Großaktionären verfügen die Deutsche und Dresdner Bank nämlich über eine solide Aktienmehrheit bei Daimler. Diese Anteile wollen sie nutzen, um Reuter und Kopper die notwendigen Stimmen zu verschaffen. Diejenigen AktionärInnen, die mit ihren von den Banken verwalteten Depotaktien gegen die Entlastung stimmen, bleiben vermutlich in der Minderheit.

Das soll im Interesse der Großbanken wohl auch so bleiben. Sie verfolgen eine heikle Doppelstrategie: Einerseits unterstützen sie den alten Pleitevorstand, andererseits müssen sie auf die harte Kritik aus den Reihen der KleinaktionärInnen Rücksicht nehmen. Immerhin liegt eine Strafanzeige gegen Edzard Reuter vor. Der Würzburger Ökonom und Kleinaktionär Jochen Knösel wirft Reuter Irreführung der Hauptversammlung 1995 vor. Der Konzern stehe „hervorragend“ da, hatte der Manager erklärt. Wenige Monate später wurde klar, daß er Kapitalvernichtung in bislang einmaligem Ausmaß betrieben hatte. Die diesjährige Hauptversammlung muß sich deshalb mit rund 30 Anträgen beschäftigen, die Reuter und Kopper die Entlastung verweigern wollen. Hannes Koch