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„Auf blutgetränktem Boden“

■ KZ Neuengamme: Überlebende trafen sich zum Gedenken – und kritisieren den Senat Von Kay Dohnke

Anfangs mochte es nach der lang-ersehnten Gerechtigkeit ausgesehen haben, die ihnen nun widerfuhr: Als die britischen Militärgerichtsverfahren am 18. März 1946 im Curio-Haus an der Rothenbaumchaussee gegen den Kommandanturstab des KZ Neuengamme begannen, konnten überlebende Häftlinge in ihren Zeugenaussagen aufdecken helfen, wer für den Tod tausender Leidensgefährten verantwortlich war und ihnen selbst unvorstellbare Qualen zugefügt hatte. Genau ein Jahr nach der Befreiung des Lagers wurden am 3. Mai 1946 die Urteile verkündet: Elf Angeklagte wurden zum Tode verurteilt und später hingerichtet.

Aus Anlaß des fünfzigsten Jahrestages der Urteilsverkündung hatte die Amicale Internationale – die Organisation der ehemaligen Häftlinge – zu einem Gespräch über die Prozesse an den Ort der damaligen Verhandlungen geladen. Der Präsident der Vereinigung, Robert Pinçon, skizzierte knapp die Geschichte des 1940 eingerichteten Konzentrationslagers Neuengamme: 106.000 Häftlinge aus 28 von der deutschen Armee besetzten Ländern mußten hier unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. 55.000 von ihnen verloren ihr Leben bei der Schinderei in Klinkerwerk oder Tongruben, beim Minenräumen in Hamburg, in Rüstungsbetrieben oder bei der Beseitigung der Bombentrümmer; sie wurden zu Tode gefoltert, erschossen, bei Auflösung des Lagers 1945 auf Todesmärsche getrieben oder starben bei der Bombardierung der Flüchtlingsschiffe in der Neustädter Bucht.

Fritz Bringmann, deutscher Vizepräsident der Amicale, erinnerte in einer Bilanz des Hauptverfahrens an einzelne konkrete Verbrechen. Verhandelt worden waren die Tötung von mehr als 1.000 arbeitsunfähigen Häftlingen durch Giftinjektionen, die Erschießung von 40 sowjetischen Offizieren, die Erhängung von 13 polnischen und russischen Krankenschwestern und von 78 holländischen Widerstandskämpfern, die medizinischen Experimente an Erwachsenen und zwanzig jüdischen Kindern und ihre anschließende Vernichtung im Außenlager Bullenhuser Damm, die Ermordung von 71 Männern und Frauen aus dem Hamburger Widerstand. Grotesk, aber kaum verwunderlich: Sämtliche Angeklagte hatten im Curio-Haus-Prozeß auf „nichtschuldig“ plädiert.

Doch dieser Gedenk-Nachmittag war für die Amicale mehr als nur ein historischer Rückblick. In ihren Bemühungen um eine Gedenkstätte auf dem ehemaligen KZ-Gelände ist schon sehr früh die Verlegung der 1948 dort eingerichteten Justizvollzugsanstalt zur wesentlichen Forderung geworden. „Aber noch immer steht, wie ein Geschwür auf lebendigem Leibe und auf blutgetränktem Boden, die Strafanstalt“, sagte Janusz Kahl, polnischer Vizepräsident der Amicale. Das ehemalige Lagergelände sei ein großer Friedhof, dessen Würde durch die JVA empfindlich gestört werde. Nachdrücklich forderten die überlebenden Häftlinge daher: „Die Strafanstalt muß bis Ende des Jahrhunderts vom Gebiet des ehemaligen Lagers beseitigt worden sein!“

Im Gespräch mit den Zuhörern stellten die Präsidiumsmitglieder die Perspektiven für die Verlegung des Neuengammer Gefängnisses dar. Zwar habe ein Staatsrat der Justizbehörde Kooperationsbereitschaft bekundet, denn das Interesse an einer neuen, modernen JVA sei groß. Bürgermeister Henning Voscherau jedoch argumentiere allein mit der angespannten Haushaltslage, vermeide aber jede politische Willenserklärung. Finanzielle Argumente lasse man aber nicht gelten: Lediglich 0,3 Prozent des Hamburger Haushalts wären für einen Gefängnisneubau nötig – und das sollte der Stadt ein würdevoller Umgang mit dem Gedenken an die KZ-Opfer doch wert sein.

Erst ein konsequenter Schritt des Hamburger Senates würde zeigen, ob man die Verantwortung für die Geschichte wirklich annehme.

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