■ Kommentar: Kantherisierung
Ärmel hochkrempeln und Trümmer wegräumen: Was wir nach dem Zweiten Weltkrieg geschafft haben, kann auch den BosnierInnen zugemutet werden. So denken viele Hamburger PolitikerInnen nicht nur, die Geschmackloseren unter ihnen, wie Statt-Gruppenchef Achim Reichert, sprechen es auch aus.
Was es bedeutet, in ein Land zurückzukehren, wo es – im besten Fall – weder Wasserversorgung noch Arbeitsplätze gibt, wo man nicht weiß, was man tun soll, wenn das Kind krank wird, und wo – im schlechtesten Fall – Rückkehrer mit Gewalt empfangen werden, haben solche Zyniker vergessen oder nie erlebt.
Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage gehört nicht zu diesen Zynikern, aber er will die Quadratur des Kreises: Zwangsrückführung zu einem humanitären Akt zugunsten des Aufbaus Bosniens schönreden. Um die Brutalität der Beschlüsse der Innenministerkonferenz, deren Vorsitzender er ist, möchte er sich herumdrücken.
In Hamburg wird es zahllose Fälle geben, die nach offizieller Politik „eigentlich“ nicht sein dürften. Für jedes einzelne Schicksal, jeden einzelnen kranken oder traumatisierten Menschen, der „irrtümlich“ von der Ausländerbehörde das Ende seiner Duldung mitgeteilt bekommt, werden die Flüchtlingsgruppen kämpfen müssen.
Am Ende aber, ganz egal, wie klein- oder großzügig die „Rückführung“ durchgeführt wird, werden die bosnischen Flüchtlinge abgeschoben. Auch aus Hamburg. Und ganz egal, wieviel Mitleid und Differenzierung Wrocklage aufbringt, es bleibt doch die Kantherisierung sozialdemokratischer Innenpolitik. Silke Mertins
Bericht und Interview S. 34
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