Das Portrait: Ernies Stimme
■ Gerd Duwner
Außerhalb Berlins hätte ihn wohl in der Straßenbahn niemand erkannt. Bei ihm mußte man die Augen schließen, die Stimme hören, um auf die Bilder zu kommen. Der Mann sprach wie Ernie aus der Sesamstraße, wie Festus aus „Rauchende Colts“, wie Danny DeVito und Jerry Lewis, und vor allem natürlich: wie Barney Geröllheimer von den „Feuersteins“. Gerd Duwner, der „Synchronkönig Berlins“, einer der fünf meistbeschäftigten Synchronsprecher Deutschlands, ist tot.
Fast fünfzig Jahre lang, seit 1949, war Duwner im Synchrongeschäft tätig. Kaum ein in Deutschland synchronisierter Film, in dem „Gerry“, wie ihn seine Freunde nannten, nicht zu hören war, in irgendeiner Rolle. Und das stets unverkennbar, ob die hohe Stimme nun aus dem Mund von Jerry Lewis ertönte oder Oliver Hardy geliehen war. Seit 1969 machte er den Ernie – schwer vorstellbar ohne Duwners Organ.
Eigentlich, so wissen's manche Biographen, hatte Duwner Pfarrer werden wollen. Die Entscheidung mag er sich noch offengehalten haben, als er sich für Schauspielunterricht entschied und 1944 die Prüfung abschloß.
In den fünfziger Jahren trat er erstmals auf die Bühnenbretter des Berliner Boulevard-Theaters und stellte sein Talent für komische Rollen unter Beweis – sicher bei „Frau Luna“ im Titania-Palast 1959 besser aufgehoben als auf der Kanzel. 1966 mimte Duwner in der Berliner Komödie eine Rolle in „Polterabend“ von Georg Kreisler, dem damaligen Meister des schwarzen Humors.
Wie es eines Volksschauspielers würdig ist, schütten die einstigen KollegInnen jetzt posthum eine Welle schwer erträglicher Nettigkeiten über Duwner aus: „Er war so liebenswert“ (Günter Pfitzmann). „Er war so humorvoll. Tapfer bis zuletzt“ (Edith Hancke). „Er gehörte zu Berlin“ (Volker Brandt). Und er war, fügt die taz hinzu, eine echte Kämpfernatur: Als im März diesen Jahres die zwei Originalpuppen von Ernie und Bert aus einer Ausstellung in Erfurt gestohlen wurden, da wandte Duwner sich öffentlich an die Diebe und bat um Rückgabe der 180.000 Mark teuren Elaborate. Der Stimme Ernies höchstpersönlich hatten die Diebe nichts entgegenzusetzen: Die Puppen tauchten wieder auf.
Am vergangenen Freitag verstarb Gerd Duwner 70jährig, nach langem Leiden, abgemagert an Krebs. Bernd Pickert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen