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Entspannende Schwingungen

■ Können „New-Age“-CDs wirklich für Beruhigung sorgen? Oder ist das ganze Bewußtseins-Gerede Quatsch? Drei Esoterik-Werke testete Clemens Gerlach

Die Versprechungen sind gewaltig. Mal sollen per Venuston „die verspielten, liebe- und hingebungsvollen Saiten in unserem Wesen zum Klingen“ gebracht (Sayama), dann wiederum mit Hilfe der „heilenden und bewußtseinserregenden“ Schwingungen „tiefe Entspannung“ und „energetisches Aufladen“ ermöglicht werden (Claude Desarzens). Hört sich interessant an, doch Zweifel bleiben: Egoheil durch digitalen Tonträger? Sauberes Karma dank Repeat-Taste? Drei jüngst erschienene „New Age“-CDs wurden von einem gestreßten taz-Mitarbeiter auf ihre Wirkung getestet. Das Ergebnis gleich vorweg: Nur eine hielt, was sie versprach, und glättete die Wogen des verwirbelten Seelenmeers.

Nur wenig mit Esoterik, mit ausschließlich Eingeweihten zugänglichem religiösem und spirituellem Geheimwissen, hat die CD An Introduction to Amiata's Secret World – Volume 1 zu tun. Von einer geheimen Welt kann keine Rede sein, die Entstehungsorte der einzelnen Stücke lassen sich en detail benennen. Traditionelle ethnische Musik gilt es auf dieser „Weltmusik“-Zusammenstellung des italienischen Amiata-Labels zu entdecken – Motto: „Geographisch voneinander entfernte Kulturen inspirieren sich gegenseitig und schaffen etwas Neues.“ Die Reise geht nicht zum Mittelpunkt des eigenen Ichs, sondern einmal um den Globus: von Burkina-Faso bis Laos, vom alten Rom bis Indonesien. Viel Getrommel, ordentlich Gezirpe – mächtig authentisch, aber kaum zur Kontemplation tauglich.

Super-innerlich sind Sayama mit ihrem Werk Yin Tao. Oberguru Richard Hiebinger psalmodiert von der „liebevollen Seele der feinstofflichen Venus“ und „einem tiefgreifenden Bewußt- und Heilwerdungsprozeß“, den er, der erfahrene Reiki-Meister, in den vergangenen Jahren durchlaufen habe. Japanische Bodenharfe, afrikanische Sprechtrommel und tibetische Klangschalen machen zwar einiges her, doch am Ende verplocken die Naturkostladen-Duz-Klänge im Nichts.

Der Sound von Flöten und zarten Blasinstrumenten ist beliebig. Daran kann auch der Gastauftritt des chilenischen „Regenmachers“ Palo de Aqua nichts ändern, der vom Blitzen und Donnern im übrigen nichts zu verstehen scheint: Hätte der Wettermann seinen Job erfolgreich verrichtet, wären die Aufnahmen wohl kaum „mit Solarenergie“ möglich gewesen.

Nach soviel Aufregung wirkt Eveil de Conscience et Guerison Energetique – Volume 5 („Bewußtseinserregung und energetische Heilung“) vom Schweizer „Naturheiler“ Claude Desarzens umso intensiver. Nur drei Stücke sind auf der CD, die dem das Absolute repräsentierenden Urlaut OM gewidmet ist. Dafür haben die einzelnen Songs auch Überlänge, aber Ruhe und Entspannung benötigen ja ihre Zeit.

Über je 25 Minuten breiten sich die beiden Hauptstücke wabernd aus, dezent hallen Stimme und reduzierte Beats – selbst Techno-Fans in der Chill-Out-Phase würden die Kompositionen von Christoph Martin de Montagu zu schätzen wissen. Zu den sphärischen Syntheziser-Klängen, unterlegt mit ambient-artigen Naturgeräuschen wie Wassertropfen, läßt sich die Betriebsgeschwindigkeit des Körpers sicher herunterfahren. Bis Ruhe eintritt. Und Entspannung.

Various Artists: „An Introduction to Amiata's Secret World – Volume 1“ (Amiata Records 1996) Sayama: „Yin Tao“ (Sayama-Music/Aquarius!-Vertrieb 1996) Claude Desarzens/Christoph Martin de Montagu: „Eveil de Conscience et Guerison Energetique – Volume 5: OM“ (Editions „Ciel et Terre“ 1996)

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