: Wo ist zu Hause, Steffi?
Nach gestrigem Sieg bei den German Open: Für Stefanie Graf fängt jetzt wieder das harte Leben an ■ Aus Berlin Peter Unfried
Das war aber jetzt wirklich mal eine schöne Woche. Warm prasselte am Hundekehlesee der Beifall auf Steffi Graf hernieder. Jeden Tag. Und besonders, als sie gestern mit einem 4:6, 6:2, 7:5 gegen Karina Habsudova zum neunten Mal die German Open gewonnen hatte. Es war harte Arbeit gegen die ungesetzte Slowakin (22), die der an diesem Tag etwas schwächelnden Graf mit ihrem „aggressiven Spiel“ (Graf) zusetzte. Aber: Das Ende war gut, und Berlin- Grunewald ist für sie wie? Ein Wohnzimmer? Eine Küche? „Irgendwie wie zu Hause, fast.“
Wo ist zu Hause, Steffi? In Brühl? Oder wie es munkelt, demnächst nur noch in Boca Raton? Weil Deutschland so kalt geworden ist? In Berlin haben alle Rücksicht genommen. Der Turnierdirektor Eberhard Wensky hat sie logischerweise eine Woche auf Händen getragen. Ohne Graf wären die German Open eine müde Randnotiz gewesen. So kamen über 50.000 Zuschauer, was neuer Rekord ist. Und das Turnier hatte bessere Einschaltquoten als vergangene Woche die früh beckerfreien Männer-German-Open in Hamburg.
Ja, Berlin! Da hat 1985 nicht alles, aber einiges angefangen. Der erste große Sieg war auch einer über Martina Navratilova. Was ist seither passiert? „Zehn Jahre sind vergangen“, sagt Graf, „sie ist nicht mehr da – und ich bin immer noch da.“ Weil die Frage ziemlich offen daherkam, überlegte sie noch etwas, dann schüttelte sie den Kopf. „Das kannst du nicht in zwei Sätze fassen.“ Kann keiner. Sagen kann man, daß der Erfolg der 15jährigen damals der Anfang vom Ende der Navratilova-Ära war. Und daß Graf letzte Woche auch verloren hat. Zum zweiten Mal in diesem Jahr, das für sie erst im März begonnen hat – und gegen Martina Hingis (15). Eine jüngere Spielerin hat sie noch nie geschlagen. Auch gegen Habsudova hing sie lange durch. Sie sei, sagt DTB-Trainer Klaus Hofsäss, „taktisch besser, aber physisch schwächer geworden.“
Immerhin: Der Rücken, sagte sie, sei o.k. gewesen, diese Woche, und sie hat im Viertelfinale gegen Tauziat (6:1, 7:5) immerhin “einen ziemlich perfekten Satz“ (Graf) hingelegt, und im Halbfinale gegen Iva Majoli (7:5, 6:1) noch einen. Der hart und aggressiv schlagenden Kroatin (18), Nummer 4 der Welt, wird immerhin – neben eventuell Rubin und Hingis – zugetraut, irgendwann die Graf/Seles-Dynastie zu beenden. Doch Grafs tiefe Rückhand „kostete mich sehr viel Energie“ (Majoli). Dieser Slice, sagt Graf, sei derzeit ihre „beste Waffe“.
Zehn CDs hat sie sich in Berlin gekauft, eine lustige Hose dazu, hat ab und zu mit dem Trainer Markus Günthardt telefoniert, der sich zeitgleich in Rom als TV- Kommentator zu verdingen hatte. Viel hatte der ihr nicht mit auf den Platz geben können. Doch immerhin, „daß ich nie vergessen soll, was ich kann. Und wer ich bin.“
Andere vergessen auch nicht. Insbesondere der Spiegel, der am heutigen Montag wieder nachlegt in Sachen Steuerhinterziehung. Der Vater, heißt es, werde trotz Schnaps und Tablettenversorgung immer melancholischer. Und während das Landgericht Mannheim zwar angeblich bereit ist, den Prozeß gegen Peter Graf unter Berücksichtigung von Steffis Filofax erst nach den US-Open (26. August bis 8. September) beginnen zulassen, arbeiten Fahnder daran, Zeugen für eine Mittäterinnenschaft der Tochter zum Aussagen zu bewegen.
Das Leben ist hart. Aber Berlin ist? „Schlafzimmer darf ich jetzt nicht erwähnen“, hat Stefanie Graf (26) gesagt. Und scheinbar routiniert abgelächelt. Keiner hat nachgefragt, warum sie „Schlafzimmer“ nicht erwähnen darf.
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