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■ QuerspalteGrün und blau

Der bekannteste Psychiater der Welt, Radovan Karadžić, tritt zum siebenunddreißigsten Mal zurück. Boris Jelzin, bei dem man schon froh wäre, wenn er nur einmal zurückträte, erklärt jeden Moskauer, den er auf der Straße trifft, zum Wirtschaftsminister. Und Andy Brehme hält auf der DFB-Fachtagung „Regionale Identität und Postmoderne“ einen vielbeachteten Vortrag, heult aber anschließend überraschend in einer Live-Übertragung des Fernsehens. In solchen Stunden, in denen die Welt aus den Fugen gerät, wächst in jedem von uns die Sehnsucht nach einer Botschaft der Hoffnung oder einfach nur nach dem positiven Beispiel.

Ein solches Beispiel kommt heute von Daimler-Benz: Die Mercedes-Luxuslimousinen gibt es ab jetzt mit „lebendem Lack“. Je nach Lichteinfall und Perspektive des Betrachters wechselt die Farbe der Limousine zwischen metallisch-grün und tintenblau. An der Zauberformel für diesen „lebenden Lack“ haben zwei Forschergruppen vier Jahre lang gearbeitet. Sie tüftelten in den Labors der Privat-Uni von Daimler-Benz in Ulm und bei einem Münchener Farbproduzenten. Die Forscher haben damit wohl den entscheidenden Beitrag zur Sicherung des Standorts Deutschland erbracht. Machen Sie sich den Wert dieser Erfindung in seiner ganzen Dimension bewußt: Nie wieder Streit mit Ihrer Frau, ob Sie zum Einkaufen den blauen oder den grünen Benz nehmen.

Der neue Liquid-Crystal-Pigment- Lack (LCP) kostet nur 10.500 Mark. „Das Geld spielt keine Rolle“, meint der Ulmer Forschungsleiter Professor Fritz Dannen und erzählt von einem Paar, das er bei der Autoauswahl selbst erlebt habe. Der Mann habe blau bevorzugt, die Frau grün. „Beide haben ihren Wunsch erfüllt bekommen.“ Ist das nicht schön?

Wie so oft, könnte auch dieses kleine Beispiel in der großen Politik Schule machen. „Zwei in eins“ heißt das Motto. Die SPD könnte auf diesem Wege ihre Schizophrenie überwinden. Endlich würde alles zusammengehen: hü oder hott, links oder rechts, Lafontaine oder Schröder – je nach Lichteinfall. Jens König

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