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Empörend promisk

■ Morgen im Güldenhaus: „Queerdance II“ mit „Pansy Division“ aus San Francisco

Wenn drei süße Boys von ihrem Darling singen und davon, daß ein lusterfülltes Sexleben mit heruntergelassenen Hosen einen Heidenspaß macht, ist das in der Regel nichts Ungewöhnliches. Sex gehört, wie die Drogen, zum Rock'n'Roll-Standard. Erst wenn der Zuhörer jenseits der Refrains auf die Texte der „Pansy Division“ aus San Francisco hört, macht sich oft reaktionäre Empörung breit. Der Grund: Die drei Knaben aus Kalifornien sind eine der ersten Punkgruppen, die ihre Homosexualität als Bestandteil der Bandidentität verstehen. Auf den Plattencovers posieren süße, halbnackte Boys, die Texte behandeln „Groovy Underwear“ oder „New Pleasures“. Der heilsame Schock für Kleinkarierte besteht beim sogenannten Queercore darin, daß sattsam bekannte Liebesklischees, um 360 Grad gewendet, auf einmal eine empörende Promiskuität beinhalten. Ob Schwule oder Lesben – wenn man aus dieser Perspektive vom Küssen und Intimerem singt, klappen die Kiefer reihenweise runter. Flotte, simple aber nie blöde Songs transportieren die schwule Imagewerbung in die Gehörgänge. „Pansy Division“ haben vor allem vom 70er-Rock'n'Roll gelernt. An bekannten Akkordwechseln entlang hangeln sich eigenständige, einfallsreiche Melodien – eine gelungene Neuinterpretation der bewährten Elemente im Punk und Blues-Schema. Das Ergebnis erinnert an die Bay City Rollers-covernden Ramones. Die Simplizität macht die Division partytauglich: Nach dem zweiten Mal kann jeder den Refrain mitsingen. Dabei wendet sich der schwule wie der lesbische Queercore nicht nur gegen Diskriminierung, er steht in bester Punk-Tradition gegen das Normale schlechthin. Die gemeinsame Attitüde verhalf den drei Queer-Aktivisten zu einer gemeinsamen US-Tour mit Green Day – der erste gelungene Versuch, aus dem gleichgeschlachtlichen Ballungsraum San Francisco, wo Queercore beinah schon zum Establishment gehört, erfolgreich auszubrechen.

Europa allerdings ist noch Neuland für den Queercore männlicher Prägung. Und auch „Egizan“, eines der ersten zarten Pflänzchen der hiesigen Queer-Kultur, versprechen Spannung: psychotischer Hardcore mit der Geige steht bei den drei Damen aus Frankfurt auf dem Programm. Danach sorgt Bremens erste DJ-Riege zusammen mit auswärtigen Gästen an den Plattentellern für Tanzlaune bis in den Morgen. L.R.

Morgen, ab 21.00 Uhr, Güldenhaus, Neustadtswall 61a.

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