: Unser weißer Rolls Royce Von Wolfgang Bortlik
Take What???
Johanna und Marin sind Beatles-Fans. Ein bißchen frühreif vielleicht. Johanna hat jedenfalls unlängst schon mal anläßlich der medialen Trauerfeiern die Take- That-Schmuseboys mit den Beatles verwechselt. Man möge es ihr mit ihren drei Jahren nachsehen.
Ich erinnere mich, wie Take That vor drei, vier Jahren noch gnadenlos gepusht wurden, weil eigentlich niemand etwas von ihnen wissen wollte. Da hampelten fünf Jungs in verwaschener Nato- Kampfmontur rum, taten ein bißchen böse und sangen blöde Songs, aber kein Girl kreischte. Aber irgendwann setzt sich die PR-Abteilung durch, auch wenn das Konzept modifiziert wird: Take That nicht mehr als die Village People für Päderasten, sondern voll rein ins Schmuserock-Konzept! Marin flüchtet jedenfalls ob Johannes Entgleisung mit einem empörten Kampfschrei aus der Fernsehecke. Ich muß ihm das nachsehen. Er kämpft in der Schule herkulisch gegen die Kelly-Familiy-Fraktion. Das sind all die Mädchen und Jungen, die aus den sogenannten gestörten Verhältnissen kommen, alleinerziehende Elternteile und so. Das wissen wir doch dank der Pop- Psychologie jetzt alles. Das Heile- Familie-Syndrom. So wie das prämasturbatorische Dingens wegen der Schmuseboys.
Marin hat drei Gleichgesinnte um sich geschart und veranstaltet in der großen Pause Beatles-Karaoke. Er ist natürlich McCartney. Soweit hat mein sorgsam dosierter ideologischer Einfluß genützt. Selbstverständlich ist er nicht John Lennon. Der mit seinem Fluxusweib und dem weißen Rolls Royce. Zuerst diesen reaktionären „Revolution“-Brunz mitverantworten und später dann übern „Working Class Hero“ rumnölen.
McCartney war immer schon unser Mann. Von seiner Freundin Jane Asher früh zur aktiven Solidarität mit dem Londoner Underground verdonnert, hat er sogar mal Geschenkpapier für den ersten Hippieladen entworfen. Aber was red' ich noch, eben kommt Paul Zwei aus der Schule und will zum Fußballtraining. Wir holen den weißen Rolls Royce aus der Tiefgarage und ötteln extra noch mal durch die belebte Innenstadt und an den diversen Palästen der demokratisch Regierenden und Kassierenden vorbei, um eventuell ein Mitglied der herrschenden Klasse auf dem Rückweg vom Lunch an- oder umzufahren. (Hier in der Schweiz kriegst du nämlich als besoffener Mörder mit der Tatwaffe Auto knapp mal anderthalb Jahre Gefängnis auf Bewährung.) Mein Promillegehalt stimmt jedoch nicht, also schnurren wir zügig zum Fußballplatz.
Meine Gedanken umfächeln John Lennon. Irgendwie ein unwürdiger Tod, den er sich dazumal anlachte. Wenn er einfach einen ordentlichen Unfall mit dem Rolls... So wie James Dean mit dem weißen Porsche. Stilvoll an einen Baum, natürlich unter Hinterlassung brauchbarer Ikonen: Autowrack, Baumstamm und so. Paßt aber doch irgendwie zu Lennon, daß er sich so völlig designlos von einem Irren abknallen ließ.
Wir bleiben auf der Seite von Paul. Marin will auf dem Rückweg wissen, was Paul nach den Beatles gemacht hat. Ich schäme mich ein bißchen. Schnell schiebe ich eine Kassette mit den buntesten Erfolgen der Ramones ins Bombastophon des Rolls Royce: Go, litte Camaro go, oh oh oh oh oh!
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