: Ein Superstar namens Papst
■ Am 23. Juni besucht der Papst Berlin. Von den Dimensionen stellt das Mammutereignis jedes Rockkonzert in den Schatten. Zum Gottesdienst werden 150.000 Gläubige erwartet
Das Olympiastadion ist bekanntlich seit Jahren marode. So marode, daß es im vergangenen Jahr vor dem Konzert der Rolling Stones abgestützt werden mußte, aus Angst, trampelnde, stampfende Fans könnten es beschädigen oder gar zum Einsturz bringen. Derart heftig wird es am 23. Juni, wenn der Papst am Vormittag in das Rund einfährt, wohl nicht zugehen. Da ist sich Peter Matz sicher. Zelebriert werde ja ein Gottesdienst und „kein Happening, bei dem Tausende von Menschen Schwingungen auslösen“, so der stellvertretende Geschäftsführer der Koordinierungskommission beim Erzbistum.
Doch von den Dimensionen sprengt der Besuch des Oberhaupts der Katholischen Kirche selbst das Rolling-Stones-Konzert. 150.000 Menschen werden allein am Vormittag im und um das Stadion herum zum Gottesdienst erwartet. Damit auch die Menschen auf dem Maifeld den Papst sehen können, wird die Messe, bei der zwei während der NS-Zeit verfolgte Priester seliggesprochen werden, auf Videoleinwänden gezeigt. Weitere 150.000 Menschen dürfen ab 19 Uhr am Brandenburger Tor erleben, wie sich der Papst im Beisein des Regierenden Bürgermeisters in das Goldene Buch der Stadt einträgt.
Seit Monaten laufen die Planungen auf Hochtouren. „Das gibt es nur einmal im Leben. Für mich ist das ein Anlaß zur Freude und eine gewaltige Aufgabe“, so Matz. Allein am Gottesdienst nehmen 2.000 Meßdiener teil. 120.000 Oblaten, notfalls sogar mehr, müssen für die Gläubigen bereitgestellt werden. Den Großauftrag erhielt die Hostienbäckerei des Klosters Alexanderdorf südlich von Berlin.
Finanziell hält man sich bedeckt: Neben Mitteln der Deutschen Bischofskonferenz sollen auch Sponsoren gewonnen sowie durch den Verkauf von T-Shirts und weiterem Schnickschnack das Großereignis finanziell abgestützt werden.
Über den Zuspruch der Gläubigen sind selbst Organisatoren erstaunt. „Da hat sich in den letzten Monaten eine Eigendynamik entwickelt, die ich nicht erwartet habe in einer säkularisierten Zeit wie der unsrigen“, sagt Matz.
55.000 Mitglieder des Erzbistums haben Plätze im Stadion vorab angemeldet. Neben Gästen aus den westeuropäischen Ländern werden 18.000 Polen erwartet, von denen ein Drittel in Berlin lebt.
Daß der Papstbesuch derart viele Gläubige auf die Beine bringen wird, war nicht von Anbeginn klar. Noch vor Monaten waren manche, wie etwa der Leiter des Referats Kirchenmusik, Martin Ludwig, skeptisch. Es sei ja nun mal auch in der Katholischen Kirche eine Tatsache, „daß kirchenzentrale Veranstaltungen von vielen Gemeinden nicht mehr so selbstverständlich angenommen werden“. Noch 1990, auf dem Katholikentag in Berlin, hatte Ludwig, damals als Gemeindechorleiter vor Ort, ein „deutlich geringeres Interesse“ für die Sangeskunst festgestellt.
Die Sorge, für den Papstbesuch nicht genügend Chöre zusammenzubekommen, ist der 38jährige mittlerweile los. Am 23. Juni wird er einen Mammutchor mit 600 sangeskräftigen Kehlen leiten, der vor allem das Vorprogramm im Stadion bestreitet. „Viele nehmen aus dem Gefühl eines Gemeinschaftserlebnisses teil.“ Ludwig weiß, daß der Papst auch bei vielen, die an diesem Tag zum Gottesdienst gehen, nicht unumstritten ist. Doch „bei allen Ecken und Kanten“, so Ludwig, „manifestiert sich in der Person des Papstes für viele ein Stück Identität der katholischen Kirche“. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen