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Paris verteidigt das Regime

Antifranzösische Demonstrationen in der Zentralafrikanischen Republik. Blutige Abrechnungen und Plünderungen in der Hauptstadt  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Tod den Franzosen“, skandierten tausende Demonstranten am Donnerstag nachmittag in den Straßen von Bangui. Dazu schwenkten sie Bananenblätter, die traditionell als Leichentücher genutzt werden. Gestern morgen prangte auf Mauern der von den Plünderungen und Straßenschlachten gezeichneten Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik der Slogan: „Nein zu Frankreich.“ Wo immer die schwer bewaffneten Fremdenlegionäre auftauchen, entstehen nach Berichten französischer Reporter umgehend kleine Gruppen aufgebrachter Menschen, die deren sofortigen Abzug verlangen.

Binnen weniger Tage hat sich die Meuterei einiger hundert Militärs, die seit Monaten keinen Sold bekommen haben, zu einer Revolte entwickelt, die weit über die Kasernen hinausreicht. In vorderster Linie sind die jugendlichen godobés – wie die „kleinen Diebe“ aus den Slums der Hauptstadt heißen – an den Auseinandersetzungen beteiligt. Einige Dutzend Villen, zwei Supermärkte und zwei Fabriken in der Haupstadt liegen bereits in Trümmern. Der Sturm aufständischer Soldaten auf den nationalen Radiosender am Mittwoch mißlang hingegen: Mehrere Zentralafrikaner kamen dabei ums Leben; zwei Franzosen, die das Gebäude verteidigten, wurden schwer verletzt. Doch hatten die Aufständischen gestern nach Auskunft französischer Beobachter zahlreiche quartiers von Bangui in ihrer Gewalt. In einigen Vororten soll es zu blutigen Abrechnungen gekommen sein. Nach Berichten der Pariser Zeitung Libération haben Aufständische ein Blutband unter Immigranten aus dem Tschad angerichtet, die sie als „Brüder des Präsidenten Patassé“ beschimpften, der aus einer Grenzprovinz zum Tschad stammt. Die regimetreue 400 Mann starke Präsidentengarde und die französischen Militärs kontrollierten lediglich den Amts- und den Privatsitz von Präsident Ange-Félix Patassé.

Rund 2.000 französische Fremdenlegionäre sind gegenwärtig in der einstigen Kolonie, die bis 1960 ein Teil von „Französisch Equatorialafrika“ war, im Einsatz. Ihre beiden Basen – in der Hauptstadt Bangui und in dem an der Grenze zu Kamerun gelegenen Bouar – sind die zweitgrößten, die Frankreich auf dem afrikanischen Kontinent unterhält. Sie dienten schon oft als Ausgangspunkt für „Operationen“ in den umliegenden Ländern – unter anderem im Tschad. Einen offenen Eingriff in Zentralafrika selbst machte das französische Militär zuletzt 1979, als es den berüchtigten Jean-Bedel Bokassa von der Macht vertrieb. Zuvor hatte Frankreich den selbsternannten Kaiser jahrelang unterstützt, Präsident Valéry Giscard d' Estaing ging mit ihm auf Großwildjagd und ließ sich von Bokassa mit Diamanten beschenken.

Auch jener „Operation Barracuda“, die Bocassa vertrieb, waren Revolten vorausgegangen. Doch damals wurden die Fremdenlegionäre mit offenen Armen als Befreier empfangen. Dieses Mal kommen sie als Unterstützer eines Regimes, das zwar demokratisch gewählt wurde, doch selbst in Paris als inkompetent und korrupt gilt. Frankreichs Regierung hatte am vergangenen Wochenende mit Hinweis auf einen Kooperationsvertrag zunächst zum Schutz der rund 2.000 Ausländer – zumeist Franzosen – in der Zentralafrikanischen Republik eingegriffen. Die Ausländer waren zu Geiseln in ihren eigenen Häusern geworden, in denen sie eingesperrt waren, während ihr Hab und Gut geplündert wurde. Bis gestern war – abgesehen von ein paar hundert Menschen in der Provinz – ein großer Teil der Ausländer evakuiert. Doch die französische „Operation Almandin 2“ gilt damit keinesfalls als beendet. Im Gegenteil: Paris versteht den Eingriff jetzt als Unterstützung der Demokratie.

Ein politisches Programm für das rohstoffarme, landumschlossene Land, dessen Bewohner eine durchschnittliche Lebenserwartung von 47 Jahren haben, ist auch bei den Aufständischen nicht in Sicht. Ihre Anführer sind Unteroffiziere, die teilweise über eine Menge Putscherfahrung verfügen. Zwei von ihnen wurden am Mittwoch in Begleitung des Erzbischofs von Bangui auf eine französische Basis geflogen, um mit einem französischen General zu verhandeln. Paris sieht das als „Präludium zu innerzentralafrikanischen Verhandlungen“.

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