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Normalität im Ausnahmezustand

■ Die Rekrutenvereidigung am Schloß Charlottenburg fand hinter Gittern statt. Trotz massiven Polizeieinsatzes störten Gegendemonstranten die „Würde der Feier“ mit Sprechchören und Trillerpfeifen

Das erste öffentliche Rekrutengelöbnis in Berlin habe „ein Stück Normalität wiederhergestellt“, meinte gestern Innensenator und Exgeneral Jörg Schönbohm (CDU). Und auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) verkündete nach der Feier, ein öffentliches Gelöbnis müsse selbstverständlich werden. Doch Normalität herrschte gestern mittag vor dem Schloß Charlottenburg nicht. Statt dessen exerzierten Polizei und Militär den Ausnahmezustand.

Denn was sich Soldaten und Politiker als feierliches Ereignis und als Beitrag zur „Normalisierung“ der Hauptstadt der Verweigerer gedacht hatten, geriet ihnen fast zum Debakel. Mehr als 200 Demonstranten, die sich unter ein paar Jubelberliner und zahlreiche Zivilbeamte gemischt hatten, quittierten das Militärritual über anderthalb Stunden lang mit einem gellenden Pfeifkonzert und zahlreichen Sprechchören wie „Mörder, Mörder!“ oder „Aufhören!“

Der Polizei war es weder gelungen, den Schloßplatz von Demonstranten freizuhalten, noch die mit Trillerpfeifen ausgestatteten „Störer“ abzudrängen. Vereinzelt wurden sogar Leuchtraketen sowie eine Rauchbombe gezündet. Wegen der Proteste und Polizeieinsätze wurde das Gelöbnis sogar mehrfach unterbrochen, zuletzt als drei PDS-Abgeordnete die Absperrungen überwanden und mit einem Transparent in Richtung Rekrutengelöbnis rannten. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung unter den Demonstranten. Sie hatten das Gelöbnis zwar nicht verhindert, dafür aber Senat, Bundeswehr und Polizei der Lächerlichkeit preisgegeben.

Acht Absperrungen sowie ein drei Meter hohes Gitter hatte zuvor die Polizei rund um das Schloß Charlottenburg aufgebaut, um etwaige Demonstranten daran zu hindern, bis zum Ort des Geschehens vorzudringen. Noch gegen 12 Uhr hatte ein Einsatzleiter der Polizei angekündigt, man werde „Gesichtskontrollen“ durchführen, um die friedlichen Besucher des Gelöbnisses von den Störern zu unterscheiden. Tatsächlich jedoch gab es bis zum Beginn der Demonstration am Richard-Wagner-Platz nur sporadische Kontrollen. Wer wollte, konnte bis zum Schloß Charlottenburg vordringen, wo sich am Ende des Gelöbnisses sogar einige Punks tummelten.

Erst als ab 13.15 Uhr die etwa 500 Demonstranten, die zur Kundgebung des Bündnisses „Gelöbnis verhindern“ gekommen waren, die Otto-Suhr-Allee bis zur Wilmersdorfer Straße zogen, sperrte die Polizei die Fahrbahn ab. Dennoch gelang es etwa 200 Demonstranten, rund 200 Meter weiter in Richtung Schloß zu ziehen. Diese Gruppe, die sich um ein Transparent mit der Aufschrift: „Keine Militarisierung der Gesellschaft – soziale Grundsicherung für alle“ auf die Fahrbahn gesetzt hatte, wurde von der Polizei schließlich mit äußerster Brutalität und unter Einsatz eines Wasserwerfers in Richtung Wilmersdorfer Straße zurückgetrieben. Dabei wurden mehrere Personen festgenommen, vereinzelt warfen Demonstranten Steine und Flaschen. Die innenpolitische Sprecherin der PDS, Marion Seelig, kritisierte den Polizeieinsatz als „absoluten Schwachsinn“. Es habe keinen Grund für die Räumung gegeben, weil viele Demonstranten bereits zuvor zum Schloß gegangen seien. Uwe Rada/Bernhard Pötter

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