■ Soundcheck: Gehört: Fugees und Die Toten Hosen
Gehört: Fugees. Zunächst wurden mit einem fahrigen DJ-Solo, „All the people on the left“-Sprüchen und verebbendem Freestyle die standardisierten HipHop-Shows persifliert. Dann stieg mit den „real Fugees“, die „real HipHop-Show“ aus dem Stroboskopgewitter. Und so etwas ward in Hamburg noch nie gesehen. Mit vollständiger Band spielten sie ohne Rücksicht auf Verluste kleine und kleinste Einheiten aus der Musikgeschichte live nach. Von „La Bamba“ über „We Will Rock You“ zu „No Women, No Cry“, von KRS One bis A Tribe Called Quest deuteten sie Erkennungsmelodien quer durch die Pop-Geschichte an, um diese dann gleich wieder aufzudröseln. Manchmal hörte sich die live zum Sextett aufgestockte Formation aus New Jersey wie eine Cover-Band aus Billbrook an, manchmal wie ein ebenso unterhaltsamer wie launischer Sampler, der verrückt spielt. Und in seltenen Momenten wie die Fugees auf ihren zwei Platten. Der Wille, das Sample-Arsenal mit einer Schonungslosigkeit zu plündern, wie man es sonst allenfalls von der Version-Kultur in der Karibik kennt, war so ausgeprägt, daß in der bis zum Bersten vollgestopften Großen Freiheit gerade mal die fünf Hits zelebriert wurden. Der Rest ging auf in Improvisationen, Dekonstruktionen und überschäumenden Medleys. Ein großer, unberechenbarer Spaß. Und eine Blaupause für weitere Hip Hop-Shows.
Volker Marquardt
Gehört: Die Toten Hosen. „Vor 20 Jahren ging es los / es war wie eine Revolution / Ziel und Richtung unbekannt / das Alte wurde niedergebrannt“, hätte Campino in Erinnerung an sein Frühwerk singen können. Als passende, lyrische Begleitung zu dem sportlichen, einigermaßen sinnfreien Volksaufstand, den die Toten Hosen in der Alsterdorfer Sporthalle mit Tausenden von jungen, selbstüberzeugten Plebejern probten. In deren Augen stand der Wunsch, „alles“ zu hören und dabei eine Sucht nach zu überwindenden Hindernissen zu entwickeln. Anlaß dazu gab es wenig: Die Musik der „Altbier“-Komponisten klingt heute nach Pubrock mit zusätzlichem Getriebe. Die Texte aber enthalten die Portion Sarkasmus, welche sich deutsche Arbeitnehmer in der Frühstückspause gern selber zugestehen, um ihre Stimmung durch etwas herzhaftes Genörgel zu heben. Campino sammelt die Klischees über Soziologie auf. Diese Soziologie läßt jedem die Möglichkeit zu glauben, daß ihn ein alle treffendes Unrecht am härtesten trifft. Das ist das Geheimnis von Campinos Erfolg.
Kristof Schreuf
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