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■ Letzte Hauptversammlung der AEG in BerlinEnde einer Legende

Kaum noch ist es eine Nachricht wert, daß gestern die Aktionäre der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft in Berlin ihre letzte Hauptversammlung abhielten. Sie haben still die Legende namens „AEG“ begraben, die Emil Rathenau vor 113 Jahren gegründet hatte. Denn schon seit gut zehn Jahren schrieb das Unternehmen keine Wirtschaftsgeschichte mehr, es war nur ein Sanierungsfall ohne Ende.

Aus der Geschichte, hat der Schwabe Hegel gesagt, ist weiter nichts als Geschichte zu lernen. Tatsächlich ist den Rettungsversuchen des Schwaben Heinz Dürr oder unter dem Dach des Schawbenkonzerns Daimler-Benz nichts weiter zu entnehmen als Scheitern, Fehlkalkulationen und ungünstige Konjunkturen. Kein Preuße konnte daran etwas ändern, und schon gar nicht haben die Errungenschaften der Gewerkschaften die vergleichsweise hohen Löhne im Nachkriegsdeutschland die AEG zu Fall gebracht. Andere haben damit glänzend verdient.

Nein, Emil Rathenaus Stromkonzern hatte sich überlebt. Es zeigte sich, daß Erfindungen des letzten Jahrhunderts alleine nicht ausreichen, um an der Schwelle des nächsten Jahrtausends zu überleben. Weder in dieser noch in einer anderen Branche. Nach der Elektrizität und der Funktechnik, den ruhmreichen Revolutionen der AEG, kam die Mikroelektronik. Doch weder Management noch Belegschaft hatten zu dieser neusten Entwicklung noch etwas eigenes beizutragen.

Mit einer bemerkenswerten Ausnahme allerdings. Als einzige im Verband des veralteten Giganten begriff die Abteilung für Hausgeräte eine andere Revolution der letzten Jahre: die Wiederentdeckung der Ökologie. Mit dem Kapital des schwedischen Konzerns Elektrolux im Rücken verdient heute die AEG- Hausgeräte GmbH im stetig wachsenden Markt für umweltfreundliche Produkte, für ressourcensparende, sanfte Techniken. Mag sein, daß vieles an den neuen Waschmaschinen und Geschirrspülern aus dem Hause AEG eher Werbeversprechen als ökologische Realität ist. Doch das grüne Image bringt bares Geld ein. Nur das interessiert die Aktionäre. Daß sie nun hauptsächlich in Schweden sitzen, ist kein Grund zur Trauer. Die deutsche Legende ist tot, die Geschichte geht weiter. Niklaus Hablützel

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