piwik no script img

Die Eisenmänner kommen

Nach dem kompromißlosen 2:0 über Tschechien hat die Europameisterschaft endlich einen veritablen Favoriten: Deutschland  ■ Aus Manchester Peter Unfried

So ist also alles gekommen, wie erwartet. Die EM hat richtig begonnen, seit es den ersten veritablen Favoriten gibt, der offenbar wie ein veritabler Favorit gespielt hat: Deutschland. Komplimente gibt es allenthalben für das Ergebnis, ein problemloses 2:0 gegen Tschechien. Differenzieren muß man, wenn die Rede auf die Art und Weise kommt, wie es Sonntag abend in Old Trafford zustande kam. Nur soviel: Trainer Berti Vogts (sprich: Wougts) ist nun der „Boß der Eisenmänner.“ Das sagt die Sun. Die anderen mögen andere Worte finden, sagen es aber im Prinzip auch.

Zehn gelbe Karten hat Schiedsrichter Elleray verteilt, sechs davon an die Deutschen. Das findet Vogts extrem ungerecht, und hätte dazu „einige kritische Worte zu sagen“, tat es aber dann doch nicht, da das, wie er findet, „nicht meine Art ist.“ Elleray habe „fürs Ausholen schon Gelb gezeigt.“ Dazu ist zu bemerken, daß besonders die Spieler Ziege und Reuter nicht nur ausholten, sondern auch trafen. Weil nun Vogts aber auch heute noch darauf besteht, daß man „bei Engländern normalerweise im Zweikampf nie Gelb kriegt“, könnte man argwöhnen, er selbst habe seinen Spielern ein euphemistisch gern „engagiert“ genanntes Spiel dringend anempfohlen.

Nun hat man zwar drei Punkte, doch auch große Sorgen. „Wenn das so weitergeht“, ahnt der Bundestrainer, „werden wir gegen Italien nur noch mit neun Spielern auflaufen.“ Auch das sollte ein Witzchen sein, und ist es irgendwie nicht: Kohler ist weg, bei Basler ist unklar, ob und wann er wieder kann. Zieht man Kahn und Reck ab, bleiben 18. Von denen sechs vor einer Sperre stehen.

Die Tschechen fühlten sich doppelt schlecht. „Wir wußten, wie die Deutschen spielen“, sagte Libero Kadlec. Eigentlich. Die Tschechen, so sah das aus, machten sich daran, so ein bißchen loszuspielen – und hatten plötzlich schon verloren. „Vielleicht“, analysierte Stefan Kuntz, „waren sie zu blauäugig und hatten uns nicht so aggressiv erwartet.“ Natürlich hatten sie, sagte Kuka. Doch es half nichts. Eilts und Sammer gewannen alle Bälle. Und Stefan Kuntz, der sich augenscheinlich schwerfällig über den Platz müht, machte den Weg frei. Er stolperte den Ball hinüber ins Niemandsland, wo Andreas Möller durchstartete. Sprint, Bogen um Kadlec, Verzögerung, Flachschuß ins linke Eck (31.). Es war dies bereits das 2:0. Tor Nummer 1 durch Ziege war identisch, mit der Ausnahme, daß Linksfuß Ziege, da er mit rechts ansetzte, „nicht zielen konnte“.

Das ist Vogts egal. Wichtig ist, daß es sich um Treffer handelt, deren Entstehung man „in Nordirland erarbeitet“ hat. Die Stellenbeschreibung „Stürmer“, sagt Kuntz, sei „nicht Torschützenkönig“, und er ist der lebende Beweis. Kuntz' EM-Tauglichkeit wird bezweifelt. Doch Vogts braucht Stürmer, deren Hauptaufgabe es ist, „gut zuzumachen, wenn der Gegner in Ballbesitz ist“. Das macht Kuntz. Die Arbeit auf dem Platz ist kräfteraubend, aber die Mannschaft, glaubt Vogts, sei „körperlich da“. Sie macht, was er vorgedacht hat, und das habe „60 Minuten guten Fußball“ ergeben. Wäre man weniger großzügig, müßte man eher 30 vermuten. Ist aber auch nicht schlecht. Die Zukunft in Mottram Hall, man ahnt es, ist rosig, die Stimmung gut – und das mindestens eine Woche.

„Ich sage immer“, sagt Matthias Sammer, die Mannschaft ist wichtig.“ Einer wird auf jeden Fall dazukommen. „Fragt die, die gespielt haben“, sagte der Kapitän, als er an Kollege Kuntz vorbei eilig entschwand. Kein Zweifel: Am Sonntag wird man sich wieder an Jürgen Klinsmann wenden.

Tschechien: Kouba - Kadlec - Hornak, Suchoparek - Bejbl, Latal, Frydek (46. Berger), Nemec, Nedved - Kuka, Poborski (46. Drulak)

Zuschauer: 42.000

Tore: 1:0 Ziege (26.), 2:0 Möller (32.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen