: Keine Lücke mehr in Lübeck
■ Der alternative Werkhof in der Kanalstraße: Ein erfolgreiches Arbeits- und Kultur-Projekt mit nur leichten Schrammen Von Birgit Hoyer
„Kulturmanager klingt doch gut“, sagt Torsten Langsdorf und lacht. Seit einem dreiviertel Jahr kümmert sich der 29jährige um das Veranstaltungs- und Kulturangebot, das die LübeckerInnen in den Werkhof locken soll. „Salsa tanzen bis zum Ende“ mit der Gruppe Rumbara steht heute abend ab 20.30 Uhr auf dem Programm.
Die 300 Quadratmeter große Halle, die etwa 600 Menschen bequem Platz bietet, ist nicht nur optisch der zentrale Bereich der umgebauten Fabrik in der Kanalstraße 70 am Rande der Lübecker Altstadtinsel. Der kulturelle Aspekt war von vornherein ein zentrales Anliegen der GründerInnen, die sich Mitte der 80er Jahre in den Kopf setzten, in Lübeck ein alternatives Projektzentrum zu installieren. Räumlichkeiten für kulturelle oder politische Veranstaltungen gab es in der Hansestadt zwar auch vorher, aber zwischen kleinen Schuppen für maximal 250 Menschen und der riesigen Musik- und Kongreßhalle klaffte eine Lücke. „Die haben wir gefüllt“, erzählt Volker Spiel, Netzwerker und Gründungsmitglied des gemeinnützigen Vereins „Werkhof e.V.“ Die LübeckerInnen sehen das offenbar ähnlich: Inzwischen, sagt Spiel, „arbeiten wir fast kostendeckend“.
Eine Leidensgeschichte hat der Werkhof, der im Herbst fünf Jahre alt wird, nicht. 1990 konnte die in den 50er Jahren gebaute Fabrikhalle „verhältnismäßig günstig“ erworben werden, zwei Lübecker Architekten waren schnell gefunden, die, so Spiel, „mit uns zusammen was Schönes entworfen“ haben. Finanziert wurde das Projekt über einen Kredit der Öko-Bank, Eigenkapital und ein „Sparbuch-Modell“ für private Anleger. Von der „Aktion Sorgenkind“ kamen insgesamt 150.000 Mark, denn der Werkhof ist fast gänzlich behindertengerecht ausgebaut.
Und ökologisch selbstverständlich auch: Eine Regenwassersammlung regelt den gesamten Brauchwasserbedarf, das Blockheizkraftwerk für die Energieversorgung war das erste privat betriebene in Lübeck. Nur mit der Sonnenenergie hapert es noch, das Geld für die Module fehlt: „Das werden wir demnächst in Angriff nehmen“, verspricht Spiel.
Im November 1991 wurde der Werkhof eröffnet. Auf zwei Etagen um die Veranstaltungshalle gruppierten sich 14 selbstverwaltete Projekte und Betriebe. Hierarchiefrei sollte es sein, ohne abhängig Beschäftigte und ohne Geschäftsführung. Statt dessen ehrenamtliche Arbeit, ein vierköpfiger paritätisch besetzter Vorstand und alle zwei Wochen Plenum. Ausnahme: Kulturmanager Torsten Langsdorf – der einzige vom Verein fest angestellte Mitarbeiter.
„Wir wollen nicht nur MieterInnen, sondern über den Verein MiteigentümerInnen und Mitverantwortliche“, formuliert Spiel den ehrgeizigen Anspruch. Und schränkt gleich ein: „Wenn die Betriebe größer werden, ist es schwierig, Leute zu finden, die gleichberechtigt einsteigen wollen.“
Das war auch im Werkhof so. Vor zwei Jahren, erzählt er, wurde neu diskutiert und schließlich vom Kriterium „Selbstverwaltung“ Abschied genommen. Einige Läden wie das vegetarische Café-Bistro „Affenbrot“ beschäftigen inzwischen Aushilfen oder Halbtagskräfte, weil sich trotz intensiver Suche niemand fand, der Kapital und Engagement einbringen wollte. „Da kann man höchstens gucken, daß alles verträglich läuft“, bedauert Spiel.
Die ursprünglich 14 Projekte und Betriebe sind zwar inzwischen auf zehn geschrumpft, doch nur zwei von ihnen mußten aus finanziellen Gründen aufgeben, das Modellprojekt „BIFF“ für mißhandelte Frauen und Mädchen ist ausgezogen, weil es zu groß wurde. Die freiwerdenden Flächen wurden intern geschluckt: Die Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaft Landwege bekam 20 Quadratmeter dazu, der Fahrradladen Sattelfest dehnte sich gar um das Doppelte auf 140 Quadratmeter aus. Das sei, so Spiel, einerseits schade, weil das Angebot nicht mehr so bunt ist, andererseits aber auch eine notwendige Vergrößerung: „Die meisten Läden laufen gut.“
Das Kultur- und Veranstaltungsprogramm auch. Inzwischen, erzählt Torsten Langsdorf, habe sich ein Stammpublikum etabliert, das auch zu unbekannten Bands komme. Die will der Kulturmanager auch weiterhin verpflichten, denn „man muß auch mal Sachen machen, wo nur 150 Leute kommen“. Ein Anspruch, der nicht immer leicht einzulösen ist. „Ein bißchen Polster zum Experimentieren wär schon schön“, sagt Langsdorf, der sowohl bei der Programmgestaltung wie in der Verwaltung des Etats freie Hand hat. „Optimal wäre ein Knaller im Monat“, wünscht er sich. Wie zu Pfingsten Maceo Parker, „der macht auch in Hamburg jedes Mal die Fabrik voll“.
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