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Nicht alle Autos stehen still

■ „Mobil ohne Auto“ in Hamburg: Große Fahrradsternfahrt in die City Von Florian Marten

Morgen bleibt der Motor kalt – dem Radl gehört der Asphalt: Mobilitätsfolklore der gehobenen Art erwartet die Hansestadt morgen, wenn sich zwischen 10.30 und 11.15 Uhr aus neun Stadtteilen Fahrrad-DemonstrantInnen umweltbewegt auf den Weg in die Innenstadt machen. Auf dem Gänsemarkt (Ankunft 12.30 Uhr) erwartet die zukunftsorientierten MobilistInnen eine Gemüsesuppe der Johanniter-Unfallhilfe, Samba, Verkehrskabarett, Kleinkunst und „bizarre Fahrradkonstruktionen zum Ausprobieren“.

Im Rahmen des bundesweiten Verkehrstages „Mobil ohne Auto“, an dem Bundesdeutschland den Verzicht auf den motorisierten Untersatz demonstrieren soll, haben Verkehrs- und Umweltverbände in Hamburg eine locker-flockige Fahrradparty auf die Beine gestellt. Mitorganisator Hans-Peter Rathmann vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert eine „Umverteilung des Verkehrsraumes zugunsten von FußgängerInnen, RadfahrerInnen, Bussen und Bahnen“. Rathman mahnt, „besonders Kinder“ dürften in „der Hamburger Verkehrspolitik nicht länger eine Nebenrolle spielen“.

Andere kämpfen derweil entschlossen für das Kinderrecht auf Mobilität: Tausende von Hamburger Müttern schlüpfen Tag für Tag in die – unbezahlte – Rolle einer Taxifahrerin. Schließlich wollen die Kids, derentwillen die Eltern sich die Last eines Privathauses am Stadtrand antun, doch ins pralle Hamburger Leben eintauchen. Dabei walzen die Mütter, nur das Wohl der Kinder im Blick, entschlossen jeden Widerstand nieder.

Der allmorgendliche Mobilitätskrieg vor dem Montessori-Kindergarten in der Uhlenhorster Sierichstraße 177 steht da stellvertretend für die vielen kleinen Verkehrsbrandherde in Hamburg. Wagt es dort beispielsweise ein Radfahrer, gegen die Mütter-Blechlawine auf dem Radweg vor dem Kindergarten zu protestieren, ist ihm geballter Zorn sicher: „Chauvi“ oder „Kinderfeind“ sind noch die sanfteren Varianten eines Unmutes, der es nicht begreifen kann, wenn nicht jeder die mütterliche Blechhülle eines Volvo oder Passat anhimmelt.

Am Sonntag, beim „Großen Straßenfest“ auf dem Gänsemarkt „mit vielen Überraschungen“, spielen derartige, gerade auch linksbürgerliche, Widersprüche keine Rolle: Wer Kinder hat, braucht schließlich ein Häuschen am Stadtrand und mindestens ein Auto. Denn für Verkehrsprobleme ist natürlich die Politik verantwortlich.

Konsequent verlangt Rathmann: „Wir fordern eine umweltverträgliche Verkehrspolitik.“ Und er schimpft: Hamburgs Stadtpolitik „redet zwar viel über Umwelt und Ökologie, tut aber wenig“.

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