: Gegenseitige Vorwürfe
■ Am Vortag der Demo beriet der Bundestag das Jahressteuergesetz 1997
Bonn (AP) – Heftig gestritten haben sich gestern im Parlament Bundesregierung und Opposition. In der ersten Lesung des Jahressteuergesetzes 1997 wandte sich Oskar Lafontaine als Hauptredner der SPD vor allem gegen die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Vermögenssteuer und gegen die Verschiebung der Kindergelderhöhung. Es sei „schamlos und empörend“, den Vermögenden Steuergeschenke zu machen und die Familien mit Kindern zu bestrafen. Auch die Pläne, den Kündigungsschutz zu lockern und die Lohnfortzahlung bei Krankheit abzusenken, hätten mit Beschäftigungspolitik nichts zu tun. „Wir werden nicht hinnehmen, daß der soziale Friede zerstört wird und daß die soziale Gerechtigkeit von der Regierung mit Füßen getreten wird“, sagte Lafontaine.
Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt nannte die Vorschläge der SPD, die Probleme mit höherer Neuverschuldung und Beschäftigungsprogrammen zu lösen, ungeeignet und nicht zeitgemäß. „Die SPD steht an einem Bahnsteig, an dem in absehbarer Zeit kein Zug mehr vorbeifährt.“ Die Koalition gehe den richtigen Weg.
Auch die Grünen kritisierten die Abschaffung der Vermögenssteuer. Statt dessen greife die Bundesregierung „nackten Leuten in die Tasche“, sagte die Abgeordnete Christine Scheel. Der Gruppenvorsitzende der PDS, Gregor Gysi, nannte Schäubles Wort vom „Druck der Straße“ eine Diskreditierung der heute stattfindenden Demo gegen den Sozialabbau. Es sei die Aufgabe der Politik, die Interessen der Menschen zu vertreten und nicht zu sagen, man werde sich darüber hinwegsetzen.
In seiner Eingangsrede hatte Bundesfinanzminister Theo Waigel, CSU, das Sparpaket der Bundesregierung nachdrücklich verteidigt und den Bundesrat aufgefordert, dem Programm zuzustimmen. An die Adresse der SPD gerichtet meinte er, sie verfolge eine Verzögerungstaktik, die „verheerende Folgen“ habe.
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