: Eso-Manager präsentiert Crisp
„Nichts in unserer Kultur wird mehr überschätzt, als die oberflächliche Glückseligkeit zweier nackter Zweibeiner im Bett. Jeder, der mal einen Penis dicht vor Augen hatte, wird dies als wahr erkennen.“
Sinnsprüche wie diese sind die Spezialität von Quentin Crisp (87), der wohl berühmtesten Berufstunte der Welt. Nun kommt der nach New York übergesiedelte Brite entgegen aller Beteuerungen doch noch mal auf den Kontinent.
Am 30. Juni 1996 will der Exzentriker auch in Berlin auftreten. Der Mann, dem Sting seinen Popsong „Englishman in New York“ widmete, wird zusammen mit dem schwulen Chansonsänger Tim Fischer auf der Bühne des Metropol-Theaters stehen. Das ist ganz hübsch, zumal passend zum gleichgeschlechtlichen Feiertag, dem CSD.
Weniger nett ist, daß Crisps Auftritt ausgerechnet von Uwe Morawetz, dem skandalumwitterten Esoterik-Manager, organisiert wird. Morawetz war zuletzt im Herbst 1995 mit der Berliner „Friedensuniversität“ in die Schlagzeilen geraten. Die damalige Veranstaltung, ein ebenso kruder wie überdimensionierter New-Age-Mix, war vom Sektenbeauftragten der evangelischen Kirche, Thomas Gandow, angegriffen worden. „Morawetz schwafelt von Esoterik und Visionen und will doch nur mit bekannten Leuten aufs Podium steigen.“ Prominente Gastrednerinnen der „Friedensuni“, wie Rita Süssmuth, Jutta Ditfurth oder Renan Demirkan hatten daraufhin abgesagt. Andere wie Ignatz Bubis, die in Prospekten angekündigt waren, wurden vorher gar nicht erst gefragt. Auch Vorstandsmitglieder der „Friedensuni“ traten von ihren Posten zurück: „Das Projekt ist reine Schaumschlägerei.“
Jetzt hat Uwe Morawetz mit Quentin Crisp wieder einen Prominenten am Wickel. Und er hat als Mitorganisatoren seriöse Berliner Veranstalter wie das Yorck-Kino und das Metropol- Theater gewonnen. Bleibt zu hoffen, daß diese genau darauf achten, daß die Einnahmen aus dem Tunten-Abend auch wirklich „dem Aus- und Umbau eines früheren Kriegsschiffes aus dem 2. Weltkrieg in ein Künstlerschiff“ zugute kommen. Das Ding soll im Hafen von San Francisco liegen. kotte/Foto: Foerster-Verlag
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen