: Gershwin in flotter Reihung
■ Geschichte eines Playboys: Im Schauspielhaus nutzt das Musical Crazy for You Gershwins Meisterwerke
Es ist echter Gershwin, aber kein Musical, sondern bloß ein Song. Der heißt „K-ra-zy for You“ und stammt aus Treasure Girl (1928) – einem Musical von Gershwin. Daß Crazy for You jetzt am Schauspielhaus als „Gershwins Meisterwerk“ verkauft wird, liegt an dem geschäftstüchtigen Produzentenpaar Elizabeth Williams und Roger Horchow. Sie engagierten 1990 den erfolgreichen Komödienautor Ken Ludwig (Othello darf nicht platzen), der eine Story bauen sollte, die sich pointenreich um die Greatest Hits des bereits 1937 gestorbenen Komponisten schmiegt. 1992 feierte das Retortenprodukt am Broadway umjubelte Premiere, und drei Tony Awards belohnten den Eifer des Ausgrabungsteams.
Erzählt wird die Geschichte des verwöhnten Playboys Bobby Child, der aus dem New York der 30er Jahre von seiner Mutter in die Wüste geschickt wird. In der Provinz soll der Knabe die Hypothekenrechte an einem verfallenen Theater geltend machen – und verliebt sich nicht nur in die Kunst, sondern auch in Polly Baker: einzige Frau unter 157 Männern. Eine rasante Verwechslungskomödie mit Happy End, was sonst? Hits wie „I Got Rhythm“, „Bidin' My Time“ und „Embraceable You“ reihen sich an verschollen geglaubte Gershwin-Raritäten aus dem Lager der Warner Brothers.
Daß die Musik von George Ger-shwin – zu Texten seines Bruders Ira – in dieser neuen Verpackung nun auch in Hamburg wiederentdeckt werden kann, ist Wolfgang Bocksch zu verdanken. Seit sechs Jahren liefert der Produzent Musicals ans Schauspielhaus. Er besorgt die Aufführungsrechte, castet am Broadway – und fliegt das fertige Glamour-Produkt nach Europa. Superlative gehören bei Bocksch zum Business: Das Budget beträgt diesmal satte 9,3 Millionen Dollar. Tausend Kostüme – gekauft von der Londoner En-Suite-Produktion – kommen zum Einsatz, zudem 25 Musiker und 32 Akteure, im April bei einem Casting aus 780 Bewerbern ausgewählt. „Das aufwendigste, teuerste und größte Musical, das jemals direkt vom Broadway nach Europa kam“, klotzt die Ankündigung.
„Wir wollen damit im Sommer schlicht und ergreifend Geld verdienen“, sagt hingegen furztrocken Peter F. Raddatz, kaufmännischer Geschäftsführer des Schauspielhauses. Mag die Produktion für Bocksch auch „das umfangreichste Unternehmen seiner Karriere“ sein: Das Theater geht kein Risiko ein, Bocksch zahlt alles: eine Garantiesumme plus Einnahmebeteiligung. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre bleibt dem Schauspielhaus dann unterm Strich mindestens eine halbe Million Gewinn, die in die reguläre Spielzeit investiert werden kann. Wird es hingegen – wie 1994 My Fair Lady – ein Flop, ist Mr. Bocksch zumindest das aufrichtige Mitleid des Schauspielhauses sicher.
Wolf Eismann
ab Mo, 24. Juni, täglich außer Montags, 20 Uhr, Schauspielhaus
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