: Gutgeformt unter die Gürtellinie
■ Die „Hamburger Landesprämierung Produktdesign“
Sanfter Jazz dudelt durch den hohen Innenhof, Weißwein wird gebracht und nur zwölf grobe Holzgestänge stören das gestylte Ambiente der frisch umgebauten Mälzerei am Fischmarkt: Die angewandte Kunst feiert im „stilwerk“ die Hamburger Landesprämierung Produktdesign.
Eine 13-köpfige Jury aus Wirtschaft, Lehre und Vermittlung hat 54 Produkte begutachtet und zwölf davon ausgewählt, zwei davon erhielten sogar einen Preis des späteren bundesweiten Wettbewerbs. Die Tischlampe „CUT“, Modellausgabe einer klassischen Stehlampe, oder eine edle Dokumentenmappe, ein eleganter Gabelstapler und der feldflaschenähnliche Flakon des Herrenparfüms Hugo, der Thonet-Stuhl Nr. 737 und das Erscheinungsbild der Zeitung Die Woche werden unter anderem als vorbildhaft herausgestellt und lassen sich, vom rohen Holz gehalten, nun auch vom Publikum bewerten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei der Gestaltung medizinischer Geräte: gleich vier Belobigungen gingen an Hamburger Hersteller aus diesem Bereich, was beim in der Urologie nötigen Resektoskop bei den Herren ab einem gewissen Alter auf besonderes Interesse stieß.
Das seltsame an dieser „Kunst, die sich nützlich macht“ ist immer wieder, daß der gestaltende Teil der Warenproduktion als so wichtig herausgestellt wird und nicht als selbstverständlich gilt, was schon der legendäre alte Indianer wußte: „Wir machen alles so gut wir können“. Aber was ist schon „gut“, wo hunderte von Designern alles besser machen? Da die vom Menschen gestaltete Produktwelt die natürliche Welt mehr und mehr ersetzt und in dieser Produktion teilweise zerstört, wünscht sich auch Design-Professor Dieter Rams „weniger, aber bessere Produkte“. Sie sollen „wirklich das sein und leisten, was die Käufer und Benutzer von ihnen erhoffen: Erleichterung, Erweiterung, Intensivierung des Lebens“.
Nachzulesen ist das im gestern erschienenen Nachschlagewerk Hamburg Design. In dem neuen Buch stellen 170 Produkt- und Kommunikationsdesigner von „Apeiron“ bis „Ulrich Zündel Grafik Design“ ihr Leistungsangebot von „Absatzförderung“ zu „Zubehörteilen“, vom Flugzeugbau zur Internet-Gestaltung vor. Dabei konkurrieren sie mit dem stereotypen Bild Hamburger Designs als nüchtern und kühl, grau und blau, anglophil aber humorlos, wie es Thorsten A. Fritze aus Mailand im Textteil beschreibt.
Was erst als bloßes Verzeichnis der Wirtschaftsbehörde geplant wurde, geriet mit Verlagshilfe zum bunten Selbstdarstellungsbuch, das den Anspruch erhebt, Hamburg sei eine Design-Hauptstadt. Man kann nur hoffen, daß sich das auch außerhalb des Privaten mal bei anderen Behörden oder im öffentlichen Raum der Metropole spiegelt, die so viel reicher ist, als sie sich gibt.
Hajo Schiff
stilwerk Design Center, Große Elbstr. 68, Mo 9-18, Mi-Sa 9-23, So 12-23 Uhr, bis 24. Juni.
„Hamburg Design“, 208 Seiten, Verlag Dölling und Galitz, 58 Mark. Im Internet unter Stichwort ,Design' auf der Hamburgseite: http://www.hamburg.de
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