■ Querspalte: Schirm, Schleim, Spumante
Hatte die ARD nach dem Spiel Italien – Deutschland das Format gewechselt? Ganz plötzlich 16:9? Irgendwie schien der Bildschirm breiter zu werden, auch der Ton, die ganze Studiomöblierung. Der Kanzler selbst hatte, spumantegeladen, neben Torhüter Andy Köpke und Berti Vogts Platz genommen. Glücklich grienend, verstrahlte Kohl eine Portion „angemessenen Patriotismus“ (Eberhard Diepgen): Ausdauer und Kraft hätten unsere Jungs im „Kampf“ bewiesen, auch wenn an diesem Abend „kein Schönheitspreis vergeben“ worden sei. Höchstes Lob also für unsere „Abfangjäger“ (Heribert Faßbender). Eine gewagte Frage des Moderators Reinhard Delling kam dann aber doch. Ob Kohl den neben ihm plazierten italienischen Fußballpräsidenten tröstend umarmt habe? Nein, das sei ihm nicht gelungen, schließlich habe der Italiener ständig das Tschechien-Spiel am Radio verfolgt. Gut geschunkelt, ARD! Wenn unsere Elf so weitermacht, können wir uns auf noch ein paar solche Schleimrunden freuen.
Und falls es nicht klappen sollte, warten wir halt bis zum 10. September. Dann wird der Kanzler erstmals in einer deutschen Talkshow auftreten. Bei wem wohl? Natürlich bei Alfred Biolek, dem sogar in einer wissenschaftlichen Studie attestiert wurde, daß er wie kein zweiter Talkmaster eine beschützende, „partnerbestätigende, harmonische Atmosphäre“ schaffe.
Und hat Bio nicht erst unlängst mit Hannelore Kohl des Kanzlers Leibspeise Saumagen zubereitet – und dabei Helmuts neues Kochbuch gelobt?
Weil der CSU-Mikrofonhalter Heinz Klaus Mertes bei Sat.1 abtreten mußte, wurde der Kanzler zum Heimatvertriebenen des Bildschirms. Auf der Suche nach neuen Bezugspersonen irrlichtert er nun durch die Sportsendungen und sucht offensiv Körperkontakt. Schon hat er Andy Köpke angetatscht. Beim nächsten Mal kann bereits Klinsmann an der Reihe sein. Dabei hat das olympische Jahr kaum begonnen. Franzi, halt deinen Whirlpool sauber! Hans-H. Kotte
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