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Charmant dem Kapital dienen

Gesichter der Großstadt: Der Präsident der Industrie- und Handelskammer, Horst Kramp, ist nach elf Jahren amtsmüde – doch es mangelt an einem Nachfolger  ■ Von Hannes Koch

Als 1989 die rot-grüne Koalition ins Schöneberger Rathaus einzog, machten sich einige Unternehmer öffentlich Gedanken über einen Investitionsstreik. „Kein Geld für Berlin!“ lautete die Parole. Man wollte die Chaoten am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Horst Kramp, damals schon Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), sprach dagegen. Statt dessen plädierte er für die „Verantwortung“ der Wirtschaft und bot den Grünen „Dialog und Zusammenarbeit“ an. „Kramp war sehr moderat“, erinnert sich die damalige grüne Umweltsenatorin Michaele Schreyer.

Vor kurzem hat die Vollversammlung der IHK den 65jährigen Horst Kramp zum vierten Mal zum Präsidenten gewählt. Seit 1984 amtiert der Schering-Manager schon als höchster Vertreter von 120.000 in der Kammer vertretenen Berliner Betrieben – und ist des Postens müde. Doch es fand sich kein Nachfolger. Also trug man Horst Kramp noch einmal zum Jagen. Der Mangel an KandidatInnen mag darin begründet liegen, daß Kramp im Sinne vieler Mitglieder genau der richtige Präsident ist. „Der Mann verhandelt“, sagt Michaele Schreyer, „er spielt nicht auf Pauken und Trompeten.“

Horst Kramp kommt daher als Prototyp eines freundlichen Großvaters, der seine Enkel auch dann noch versteht, wenn sie sich die Haare rot färben und unter Brücken schlafen. Man sagt ihm nach, daß er als Vorstand bei Schering oft den Ausgleich mit dem Betriebsrat angestrebt und versucht habe, Probleme zu lösen, bevor sie virulent wurden. „Ich möchte, daß die Leute fröhlich ins Büro gehen“, sagt Kramp. Der soziale Frieden sei ihm sehr wichtig, wenn er auch in erster Linie „den Interessen des Kapitals“ zu dienen habe. Man müsse den Profit des Unternehmens maximieren, schließlich hätten die AktionärInnen ein Recht auf die angemessene Verzinsung ihres Geldes.

Kramp ist ein Kapitalist, aber kein Klassenkämpfer. 1984 kritisierte er, daß die DDR jede Menge Waren nach Westberlin verkaufe, und forderte, umgekehrt dem Sozialismus mehr Dienstleistungen aus der Frontstadt anzubieten. Das Projekt stand jedoch nicht unter der Überschrift „Wandel durch Handel“. Kramps Begehr war es lediglich, der Berliner Wirtschaft ein paar Mark zu verschaffen.

Der liberale IHK- Chef argumentiert differenziert, nicht mit dem Holzhammer – in auffälligem Gegensatz übrigens zum Hauptgeschäftsführer der Kammer, Thomas Hertz, der als strammer Parteigänger der CDU die Lobbyorganisation auf Kurs hält. Kramp erweckt den Eindruck eines angenehmen, freundlichen Mannes. Manchmal wirkt er etwas unsicher – als wolle er lieber in den Hintergrund treten und sich gerade nicht vorwagen, wie es seine Aufgabe gebietet. Nicht selten wird ihm deshalb vorgeworfen, schwammige Positionen zu vertreten und schwer greifbar zu sein. In der Tat begibt sich die Kammer unter seiner Führung nicht in grundsätzliche Konflikte, doch an manchen Punkten weicht man dem Dissens nicht aus. So ließ Kramp keinen Zweifel daran, daß er gegen Bürgermeister Eberhard Diepgen und – schließlich erfolglos – für den Flughafenstandort Sperenberg eintrat. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) kritisiert Kramp wegen der geplanten Erhöhung der Gewerbesteuer. Und mit der Bundesregierung legte er sich an, weil sie Hals über Kopf die Berlinförderung abschaffte.

Beim Rassismus hört für den Wirtschaftsvertreter der Spaß auf. Als 1992 Immigrantenwohnheime brannten und Schwarze aus fahrenden S-Bahnen gestoßen wurden, veranlaßte er den Schering- Konzern, die Stelle eines Ausländerbetreuers zu finanzieren. Um der Fremdenfeindlichkeit zu begegnen, funktionalisierte er eine Drohung, die er zu rot-grünen Zeiten für falsch erklärt hatte. Er warnte vor dem Investitionsstreik ausländischer Unternehmen in Deutschland, falls der Rassismus Schule mache. Gleichzeitig grenzte sich der Präsident nach links ab: Auch die Kreuzberger Hausbesetzungen und Straßenschlachten in den achtziger Jahren hätten Investoren abgeschreckt. Kramp ist ein bürgerlicher Demokrat, der die politischen Extreme beider Seiten gleichermaßen haßt.

Kramp studierte nicht. Nach dem Abitur machte der gebürtige Hamburger eine Lehre als Industriekaufmann, kam 1964 zu Schering und wurde 1977 in den Vorstand berufen, aus dem er 1994 in den Aufsichtsrat zurücktrat. Spätestens seit Antritt des IHK-Präsidentenamtes arbeitet er den lieben langen Tag. Über zwanzig Posten besetzt der Multifunktionär, doch nur bei „rund zehn“ ist er wirklich aktiv. Dazu gehören Leitungsfunktionen im Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Deutschen Industrie- und Handelstag, ferner in den Aufsichtsräten der Springer AG, der Bankgesellschaft Berlin und anderen Firmen.

Ämterhäufung und große zeitliche Belastung gelten auch als Gründe, warum sich kein Nachfolger findet. Außerdem wird Kramp einige Probleme hinterlassen: Ein UnternehmerInnenverband hat sich inzwischen gegründet, der die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern anficht. Langsam, aber sicher zerbröselt das Arbeitgeberlager.

Über Kramps Sofa in der Hardenbergstraße hängt ein Plakat. „Jubeln, sach ick, imma nur jubeln“ steht darauf. Kramp sitzt darunter und schmunzelt lieber.

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