■ Nebensachen aus Kairo: Gipfelzirkus live
Es war ein Gipfelzirkus, wie man ihn von den arabischen Staatschefs gewohnt ist. Den Vogel hat wieder einmal der Führer der libyschen Massen Muamar Gaddafi abgeschossen. À la Rust landete er zwar nicht illegal auf dem Roten Platz, aber immerhin unter einer höchst öffentlichen Verletzung des UN-Luftembargos gegen Libyen mit seiner Maschine auf dem Kairoer Flughafen.
Interessant war auch die Ankunft einiger Emire. Wohlweislich hatte der ägyptische Zoll die arabischen Delegationen von allen finanziellen Formalitäten freigestellt. Daraufhin reiste der Emir von Bahrain mit seinen Möbeln an. Vielleicht fürchtete er auch eine Bombe unter der ägyptischen Sitzgelegenheit. Obwohl ein Sprengsatz ebenso gut unter seinem eigenen Polster versteckt sein könnte. Auf seiner Golfinsel sind in letzter Zeit mehr Bomben hochgegangen, als irgendwo sonst in der arabischen Welt.
Der Wagenpark vor dem Konferenzgebäude gab einen guten Einblick in die Welt der Sonderanfertigungen gepanzerter Limousinen. Dabei stellte sich die Frage, wie klar man durch verspiegelte Scheiben noch seine Umwelt mitbekommt. Oder sollte die Arbeit Tausender Anstreicher, die noch eiligst die Bordsteine großer Ausfallstraßen mit einem aparten Zebra-Look zu versehen hatten, umsonst gewesen sein? Gar nicht zu erwähnen die Überstunden der Staatsgärtnereien, die noch schnell einige Straßenzüge bepflanzten und eifrig bemüht waren, das Grün durch ständige Wasserzufuhr bis zum Gipfel nicht vertrocknen zu lassen. Nur das Fernsehen wird langweiliger. Immer diese kurzen Briefings zur Konferenz und dazwischen die algerischen Fischer und die Beiruter Straßenhändler, untermalt mit nationalistischer Musik als Zeichen, daß wir nun endlich vor der arabischen Einheit stehen. Gott habe die Fußball-Europameisterschaft selig, die uns wenigstens am Abend rettet.
Wer übrigens ein Verkehrschaos erwartet hatte, wurde herb enttäuscht. Tausende Verkehrspolizisten wachten darüber, daß der Verkehr so sanft dahinfloß wie die Wasser des Nil. Ach, hätte Kairo doch jeden Tag einen solchen Gipfel. Karim El-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen