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"Bundesregierung baut Bürgerbeteiligung ab"

■ Wolfram König, bündnisgrüner Staatssekretär in Sachsen-Anhalts Umweltministerium: Beschleunigungsgesetze können die Inbetriebnahme von Industrieanlagen verzögern

taz: Wenn es nach der Bundesregierung geht, werden Chemiefabriken, Atomanlagen und andere Investitionsvorhaben bald schneller genehmigt. Sind die Behörden heute zu langsam?

Wolfram König: Nein, in Sachsen-Anhalt brauchen 34 Prozent aller Anträge nach dem Bundes- immissionsschutzgesetz weniger als drei Monate, bis sie entschieden werden. Nur 4,2 Prozent der Verfahren dauern länger als ein Jahr. Es geht der Bundesregierung und der Wirtschaft nicht in erster Linie darum, die Genehmigungen effektiv zu gestalten. Sie trachten danach, die Errungenschaften der Umweltbewegung und die Bürgerbeteiligung abzubauen. Die Genehmigungen brauchen oft ihre Zeit, weil Unternehmen die Unterlagen unvollständig einreichen.

Beschleunigungsgesetze sehen vor, daß die Behörden einer Firma sofort mitteilen, ob ihr Antrag vollständig ist. Eine gute Sache?

Sicher. Wir sind ja schon dabei, die Ämter zu Dienstleistungsunternehmen umzustrukturieren.

Sind Behörden also zu behäbig?

Man kann sie verbessern. Aber dazu braucht man keine neuen Gesetze. In Sachsen-Anhalt haben wir die Behörden bereits gebündelt. Wasser-, Abfallrecht und Immissionsschutz wurden in den staatlichen Umweltämtern konzentriert. Das Verfahren wird beschleunigt, ohne am erreichten Standard herumzudoktern. Das neue Gesetz dagegen kann zu Verzögerungen bei der Inbetriebnahme von Anlagen führen. Wenn sich die betroffene Bevölkerung mit ihren Bedenken nicht mehr in das Genehmigungsverfahren einbringen darf, wird sie die Gerichte anrufen. Auch die mangelnde Abwägung durch die Behörden leistet langwierigen Prozessen Vorschub.

Bürgerbeteiligung ist die wahre Beschleunigung von Genehmigungsverfahren?

Bürgerbeteiligung trägt jedenfalls nicht zur Verlangsamung bei. Durch frühzeitige Einbeziehung der AnwohnerInnen wird die Anlage optimiert und Konflikte werden im Vorfeld ausgeschaltet.

Auch im Hinblick auf das Endlager für Atomabfälle in Morsleben lehnen Sie das Gesetz ab. Was wäre in diesem Fall die Folge?

Quasi huckepack will die Bundesregierung einen Paragraphen im Atomrecht ändern. Das Atomgesetz schreibt heute noch vor, daß wesentliche Änderungen einer Anlage nur nach einem Planfeststellungsverfahren erfolgen dürfen. Unwesentliche Änderungen setzen die sogenannte Anzeige bei der Genehmigungsbehörde voraus. Neu in Zukunft: Auch wesentliche Veränderungen werden mit einem vereinfachten Verfahren ohne Bürgerbeteiligung durchgezogen. Die Auslegung der Planunterlagen und die Beteiligung der Umweltverbände fallen weg. Und unwesentliche Änderungen müssen nicht einmal mehr angezeigt werden. Bundesumweltministerin Merkel stuft die Erweiterung der atomaren Lagerkapazität in Morsleben um das Fünf- bis Sechsfache als unwesentliche Änderung ein. Interview: Hannes Koch

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