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Zwischen den RillenApotheose des Duschgels

■ Habt Mitleid mit dem Armani-Mann! George Michael ist wieder da

Wenn das nicht einen Thrill wert ist: Für sein Comeback hat George Michael sich den Hypno- Blick eines Filmmagiers zugelegt. Und die Werbeabteilung hat sich's was kosten lassen. Spitzbärtig streng schaut unser Mann vom Karstadt am Berliner Hermannplatz auf Penner, vietnamesische Zigarettendealer, zur Arbeit radelnde taz-Redakteure und bleiche U-Bahn-People herab – ein überlebensgroßes Zeichen aus der Vergangenheit, ein Zar des Stils, der im Exil die gescheiterten Revolten der Achtziger ebenso überstanden hat wie die Wiedergeburt des Rock, und jetzt gekommen ist, um Rückübertragungsrechte geltend zu machen.

„Feels good to be free“, haucht er am alleräußersten Ende des neuen Albums „Older“ ins Mikrophon – Anspielung auf den Trouble mit Sony, das Zerwürfnis wegen „künstlerischer Differenzen“, schließlich den Prozeß. Ein Gerichtsdrama in mehreren Akten. Es bot das pathetische Bild eines Mannes, der mit „der Industrie“ um die Freiheit seines Ausdrucks rang – mit dem Ergebnis, daß Michael zwar verlor, sich aber aus seinen vertraglichen Verpflichtungen rauskaufen und zu Virgin wechseln durfte. Free Wille! Sieg im Namen der Kunst! Bloß interessierte das da schon keinen mehr. „Ich kenn' mich nicht mehr aus in der Popmusik, ich war eine Woche im Urlaub“, soll Ray Davies von den Kinks mal gesagt haben. Und das Produkt George Michael lag volle sechs Jahre auf Eis.

Dafür, daß es so lange um die Regularien seines Outputs gekämpft hat, ist dem verkannten Genie erstaunlich wenig zu seiner eigenen Reformierung eingefallen, und wer versteht, warum das Ding nicht bei Sony erscheinen konnte, kriegt fünf Mark. „Older“ ist die Fortsetzung von „Faith“ (1987) und „Listen Without Prejudice Vol. 1“ (1990) mit so ziemlich denselben Mitteln: doppelt gehärteter Sophisto-Soul für das Beste im Mann. Balladen, die allen Sparpaketen dieser Welt die Stirn bieten, gefolgt von slicken Disconummern für das Autoradio. Kein Grund, einen Gang zurückzuschalten. Bloß das Brusthaar quillt nicht mehr ganz so üppig wie zu Zeiten lustigen Vorstadtstechertums mit WHAM!-Kumpel Andrew Ridgeley: „My friends got their ladies, they all have their babies, I just wanna have some fun. Why don't we make a little room in my BMW?“

Gewiß, auch auf der Designercouch kann einen der Ennui packen. „Die Augen der Frauen werden kälter/Status quo“ (Heiner Müller). Im Prinzip ist George Michael gegen all die „Starpeople“, mit denen er sich tagaus, tagein herumschlagen muß. Naomi Campbell und so, ihr versteht. Blöd gruppieren sie sich um den eigenen Wesenskern herum und halten einen vom Studium guter Bücher und schöner Künste ab. Im Video zu „Fasterlove“, der zweiten Auskopplung nach dem immerhin kathedralischen „Jesus To A Child“ (mach mir den Ben Hur!), läuft Flüssigkeit über jugendliche, sich windende Tanzstudiokörper, der Regisseur, MTV und die Firma wollten es wohl so, während Michael sich halb fasziniert, halb angewidert in die Rolle des mittlerweile höheren Werten zugeneigten Decadents (I've seen it all!) hineinschnulzt. Harald Juhnke wird er nicht kennen, aber gab es nicht mal einen Sänger namens Frank Sinatra? Irgendwie möchte Man George rein ins Charakterfach, aber es reicht halt nur zur Apotheose des Duschgels.

Gemein? Die schnöde Rache der Neunziger an den kalt gewordenen Barfly-Gentrifizierungsstrategien von „New Wave“ (um die ja mal einiger Wirbel veranstaltet wurde)? Es hat schon was Dramatisches, wie der alternde George Michael den Distinktionsmanierismus einer gerunzelten Stirn seinem gefährdeten Modell gutschreiben möchte, das ja sonst über so gut wie gar kein Bewußtsein von sich selbst verfügt; wie er der Schweinepresse Interviews verweigert, in der Hoffnung, sie würde schon wieder zu ihm, dem größten Platzhirschen im Popwalde, zurückgekrochen kommen; wie er rauswill aus dem Auf und Ab der mahlenden Konjunktur.

Wild ist der Westen, schwer ist der Beruf: Die volle Verzweiflung einer Ware, die sich gegen ihr eigenes Verramschen stemmt, spricht daraus. Und der Rest eines Märchens: George Michael ist das Zitat, das auch mal gerne Original geworden wäre. Und seht nur hin: Weht nicht ein Hauch von Tragik aus den Mantelschößen, mit denen er sich im CD-Booklet in seine eigene Dressmanphantasie davonmacht?

Leute, habt Mitleid mit dem Armani-Mann! Morgen erwischt's eure Darlings von heute. Thomas Groß

George Michael: „Older“ (Virgin)

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