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Nur ein Wort: Berti

Nach dem Gewinn des Europameistertitels umarmt ein Land gerührt seinen Bundestrainer  ■ Aus London Peter Unfried

O mein Gott! schrie Europa, als dem tschechischen Torhüter Petr Kouba der Ball entglitt. O mein Gott! Das ist – typisch deutsch.

O mein Gott, dachte auch der Torschütze Oliver Bierhoff, als er es sah: Endlich hat er es geschafft. Es war ein schönes Bild, sagte Bierhoff, wie der Bundestrainer dann alleine in der Kurve stand.

Was hat dieser Mann alles einstecken müssen.

Was hat dieser Mann alles einstecken müssen.

Was hat dieser Mann alles einstecken müssen.

Beerti! Dem Sieger sang man Hymnen!

Beerti! Die Fans haben inzwischen erkannt, daß hart mit der Mannschaft gearbeitet wurde.

Beerti! Es ging federnden Schrittes der Trainer Vogts mutterundvaterseelenallein in jene Kurve, aus der es mächtig schallte. Dort vollzog er La ola.

Beerti! Schon hallte es von der anderen Seite auch. Beerti! – Beerti!

Andreas Köpke, dieser in sich ruhende Sportsmann, hüpfte über eine blaue Bande. Dann sank er in den Rasen von Wembley, als wolle er eins werden mit ihm. Es ist wie ein Traum, sagte Köpke. Ich hoffe nicht, daß ich so schnell wieder aufwache. Hinter einer Kamera, im gleißenden Licht, sah man einen Mann, der entweder gerade geweint hatte oder unmittelbar davor stand. Oder beides. Die Mannschaft, sagte dieser blonde Spieler erschüttert, die Truppe...– ob das beim Zeugwart anfängt! Inbrünstig ließ er goldene Worte in die Nacht von Wembley steigen. Zusammenhalten. Nackenschläge weggesteckt. Probleme, die da waren. Immer daran geglaubt. Und: Vogts! Berti Vogts!

Sammer umarmte diesen Vogts. Wenn es einer verdient hat, sagte Sammer, dann ist es er. Unsere Tugenden sind typisch deutsch. Um dieses Turnier zu gewinnen, sagte Köpke, muß man ein Quentchen Glück haben.

Das 0:1. Um Gottes willen, dachte Klinsmann. Dann richtete er seinen verzweifelten Blick in den Himmel von Wembley und flehte: Es muß doch Gerechtigkeit geben. Sammer schrie auf Vogts ein: Ich habe ihn nicht berührt! Und: Es war nicht im Strafraum! Die Kritik war nur positiv, sagte Klinsmann. Das spricht für die Mannschaft. Das Quentchen Glück muß man sich erarbeiten, sagte Köpke.

Das 1:1. Ich hatte auf das lange Eck spekuliert, sagte der Torschütze Bierhoff. Wir haben das Glück erzwungen, sagte Reuter. Das zeigt die Moral unserer Truppe, sagte Sammer. Unsere Tugenden sind typisch deutsch. Wir haben sehr hart gearbeitet, sagte Köpke.

Das 2:1. Ich stand mit dem Rücken zum Tor, sagte der Torschütze Bierhoff. Dann dachte ich, der Torwart hat ihn. Ich habe damit gerechnet, daß der Schiedsrichter das Tor zurücknimmt, sagte Sammer. Es war passives Abseits, sagte Köpke. Das zeigt die Moral unserer Truppe, sagte Babbel.

Die Pokalüberreichung. Der Bundespräsident Boris Becker ehrte die Spieler mit persönlichen Umarmungen. Wenn dir dann die Queen die Hand schüttelt... Klinsmann schüttelte den Kopf. Das ist eine Riesenbasis für die Zukunft. Königin Elizabeth strahlte sogar, als nach sechs Jahren des Schmerzes der Kapitän von Vogts den Cup stemmte. Das Schwarzrotgold seines Spielführerbandes dominierte das Bild. Es war stärker als das Grünweiß ihres Kostüms.

Hunbearable! sagte der Daily Star. Lucky Krauts! That was Hoff- Side, jaulte die Sun. Die Engländer in Wembley waren für die Tschechen, schrieb der Guardian, in ihrer grenzenlosen Sehnsucht, Deutschland verlieren zu sehen. Gegen irgend jemanden, egal gegen wen.

Vor den deutschen Tugenden haben alle Respekt, sagte Sammer.

Die Szenen in der Kabine waren unbeschreiblich, sagte Klinsmann. Wir haben gesungen, gab Köpke zu. Unsere Tugenden sind typisch deutsch, sagte Sammer. Sepp Maier hat einen Film darüber gedreht. Die Schmerzen haben sich gelohnt, sagte Bobic. Unsere Tugenden sind typisch deutsch, sagte Sammer. Jürgen Kohler hielt seine verschwitzte Unterhose in den Himmel wie einen Pokal. Er umarmte Freund, Reuter und den Tschechen Berger. Wir Dortmunder halten zusammen, sagte er. Nicht wie die Bayern.

Wir können hier einiges lernen, was den Zusammenhalt von Trainer, Mannschaft und Präsidium angeht, sagte Thomas Helmer. Die Beine des Weltklassespielers waren so kaputt, daß er kaum noch reden konnte. Der Weltklassespieler schaute prüfend an sich runter. Ich glaube, die beiden Füße sind noch in Ordnung, sagte der Weltklassespieler, die Beine nicht mehr. Unsere Tugenden sind typisch deutsch, sagte Sammer. Wenn es einer verdient hat, sagte Sammer, dann er: Vogts.

Alle Verletzten saßen in Wembley auf der Bank. Man hat auch als Verletzter nie das Gefühl, daß man nicht dazugehört, sagte der verletzte Bobic. Basler fehlte. Wir haben 22 Spieler – da bin ich einer davon, sagte Bierhoff.

Ihr könnt nach Hause fahren, sangen die deutschen Fans, als der deutsche Bus Wembley verließ. Bode, Freund, Strunz... zischte einer. Er stand allein. Irgendwann kam das Gerücht auf, Bild habe unmittelbar nach dem Spiel die Handy-Nummer von Lothar Matthäus aus dem Speicher genommen.

Wenn es einer verdient hat, sagte Sammer, dann er. Die Bayern-Spieler, die hier waren, haben's kapiert, sagte Helmer. Jürgen Klinsmann macht seither die Nacht zum Tage. Aber ohne Ende, sagt er. Es ist eine Riesenbefriedigung, daß die Arbeit von Berti Vogts bestätigt ist. Wenn es einer verdient hat, sagte Sammer, dann er.

Was hat dieser Mann alles einstecken müssen.

Was hat dieser Mann alles einstecken müssen.

Mit einem anderen Trainer wäre das schwer, sagte Sammer. Unsere Tugenden sind typisch deutsch.

Deutschland: Köpke - Sammer - Babbel - Strunz, Eilts (46. Bode), Helmer, Ziege - Häßler, Scholl (69. Bierhoff) - Klinsmann, Kuntz

Zuschauer: 73.611

Tore: 1:0 Berger (59./Foulelfmeter), 1:1 Bierhoff (73.), 1:2 Bierhoff (95.)

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