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Fische, Gips und Liebesgrüße

„It was nice, but now it's over“ – 15 Jahre „ladies only“ sind vorbei, das „Pelze“ in der Potsdamer Straße gibt es nicht mehr. Nach einer letzten Performance wurde gründlich ausgefegt  ■ Von Waltraud Schwab

„Jenseits des Ohrs gibt es einen Ton, am äußersten Rand eines Blickes Aspekte von Dingen, am Ende des Fingers ein Objekt – das ist der Ort, wohin ich gehe.“ So fängt der Abschiedstext der brasilianischen Schriftstellerin Clarice Lispector an, der auf die Schaufensterscheibe eines ausgeräumten Ladens in der Potsdamer Straße geschrieben wurde. Aber nicht irgendeines, denn dies ist schon wieder ein Epilog auf die „Bewegung“: „Pelze“ in der Potsdamer Straße 139 gibt es nicht mehr.

Leer geräumt der 100 Quadratmeter große Raum, ausgefegt und abgeschlossen. Als allerletzte Performance inszenierten Künstlerinnen das Ende dieser Experimentierbude, in der – nicht ganz zwanglos – das Opportune verpönt und das Verpönte opportun gewesen war. Vor 15 Jahren besetzt, um dem ästhetischen und sonstwie gearteten Begehren von Frauen eine Plattform zu geben, kann man sich den Raum jetzt nur noch von außen aneignen.

Natürlich fehlt es am Geld. 20.000 Mark Zuschuß für die Miete wurden gestrichen. Damit kann sich der Senat jetzt einen Pflasterstein vor dem Reichstag vergolden. Sicher, anstatt ein gebührendes Ende zu zelebrieren, hätten die „ladies only“ von „Pelze“ auch diverse Pressekonferenzen veranstalten können, auf denen die Unverzichtbarkeit der Arbeit, das innovative Potential und die ästhetische Experimentierfreude von Frauen so lange hinausposaunt worden wäre, bis es – als letzte Konsequenz – auch den etablierten Medien eine Meldung wert gewesen wäre. Statt dessen aber wurden vom Kunstamt bis zur Wagenburg alle mit den nostalgischen Resten beschenkt, wurde ein sentimentales letztes Konzert gegeben, jeder Abschiedsbesucherin ein Gipsohr überreicht, der Raum mit Weihrauch entweiht und mit geölten Sägespänen ausgefegt. „It was nice, but now it's over“ stand auf der Einladungskarte für die allerletzte halbe Stunde. Wozu sich ein Denkmal setzen? Ganz zum Schluß wurde der „Pelze“-Schriftzug abmontiert.

Die Potsdamer Straße ist der Highway zum Potsdamer Platz, Läden wie das „Pelze“, die sich exklusiv geben – für Frauen, für Underground, für Avantgarde und Animositäten, für Künstlerinnen in spe und Prostituierte, die sich ein paar Minuten ausruhen möchten –, passen da nicht mehr ins Konzept. Schon vergessen, daß die Potse zur Mauerzeit mal mit Rotlicht gepflastert war?

Die Themen für Ausstellungen und Diskussionen lagen auf der Straße. In „Pelze“ wurden individuelle Lust und individueller Frust bereits öffentlich thematisiert, als die meisten anderen Feministinnen noch nach Konsens schrien. Frauen und Aids war dort schon Thema, als die Amazonen sich noch für unverwundbar hielten.

„Am Ende einer Freude kommt eine andere Freude“, schreibt Clarice Lispector. Die Kunst kann aufatmen. Die Frauen auch. Memory- Parties sind geplant. Wo? In Wagenburgen? Dabei wird man sich an alles mögliche erinnern. An Fischperformances, Wasserspiele, Gipskorsetts und Liebesgrüße, Ausstellungen des Gang und Gäbe, Vorträge und Musik zum oder gegen den Lauf der Zeit, Modenschauen und Nachtcafés.

Bestimmt auch an Freundschaften, die man dort geschlossen, und an Freundinnen, von denen man sich im Haß getrennt hat. Zu guter Letzt wird auf die Parolen der Tierschützer angestoßen, die „Pelze“ für ein Pelzgeschäft hielten, was es früher ja auch einmal war: „Kein Mord für Eitelkeiten.“

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