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■ Urdrüs wahre KolumneOrzezwialacy zel

Was sicher nicht nur mir zu denken gibt: In Rudis Resterampe gibt es derzeit SIGNAL-Zahncreme der Variante „Orzezwialacy zel“ mit dem Zusatz „Made in Germany“ mit ursprünglicher Preisauszeichnung in Zloty zum neuen Tiefpreis West. Rudi und die Autoschieberbande?

Mal im Ernst, Bausenator Schulte. Was denken Sie goethescher Humanist sich dabei, Ihre Mitmenschen im Waller Parzellengebiet unter den Baggerzahn zu nehmen? Ehrsame Gartenheimer zu vertreiben und gedungene Spitzel auf illegale Wohnnutzer und ungenehmigte Erweiterungen der Bausubstanz anzusetzen? Das Menschenrecht auf Wohnen und malerische Gartenzwerg-Panoramen, Hanfgewächse, selbstangelegte Biotope und Grillfeste mit Flaschbier: Ist es nicht höher einzuschätzen als papierraschelnde Bürokratennorm? Und wissen Sie denn nicht, daß IRA und ETA, umherschweifende Haschrebellen und der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten eine gemeinsame Resolution zur Verteidigung dieses stadtnahen Wohnviertels bis auf den letzten Tequila-Tropfen beschlossen haben? Wollen Sie für das Kettensägenmassaker am Fleet verantwortlich sein? Sire, geben Sie Wohnformen-Freiheit!

Bei der Jagd nach dem Traumschloß gehen manche Mietgesuchler seltsame Wege. Wie zum Beispiel „Zwei junge Damen, 20 und 18“, die ihre Qualifikationen als ideale Mieterinnen für eine 3-4-Zimmer-Wohnung in Viertelnähe am Kundenaushang von Comet am Ziegenmarkt so beschreiben: „Aus guter Familie (Vater Zahnarzt bzw. Steuerberater), eine Lehrstelle für Ihre Tochter kann auf Wunsch besorgt werden“. Findet Ihr das richtig so, Mädels?

Da gibt der brave Vater also dem Bitten der Tochter nach, mit ihr den neuen WERNER-Film zu besuchen, wählt dafür natürlich kostenbewußt den ermäßigten Kinotag und findet sich bei strömendem Regen in einer Warteschlange von beängstigender Länge wieder. Und während Papa abschätzt, ob überhaupt noch Chance auf ein Ticket besteht, drängt sich eine Crew von rund zwanzig jugendlichen Arschgesichtern an dem vornehm Ausharrenden vorbei an die Kinokasse, und auf seine empörte Intervention erfährt der ältere Mitmensch kostenlos dies: „Wennwa nich mehr reinkommen hamwa Frust und dann machen wir alles kaputt, dann is hier Front! Und das willste doch nich, Opa? Oder haste was gegen die Bundeswehr?“ Ja. Hab ich.

In ihrem Hang zu Kind als Gast hat sich die deutsche Gastronomie schon manche Taufe einer Frikadelle mit Pommes zum Biene Maja- oder Asterix-Teller einfallen lassen. Neu aber ist der Räuber Hotzenplotz-Teller für 0,00 DM in einem Dorfgasthaus bei Hannover: Geliefert wird dem Kunden zu diesem Arrangementpreis lediglich eine Holzplatte mit Messer und Gabel. Das Happihappi soll Junior dann mit dieser kriminellen Basis-Technologie selbst von anderen Tellern zusammenholen. Diese Schule für's Leben lobt sich der sparsame Vater, solange man seinen Teller außen vor läßt!

Nie in meinem Leben habe ich den Bremer Schokoladenonkel und sozialen Kammerjäger von Oberneuland, den Rädelsführer der „Junkies raus“-Bewegung, Hasso Nauck, persönlich getroffen, und wahrscheinlich war das gut so. Immer aber, wenn ich von diesem Manager der organisierten großbürgerlichen Verantwortungslosigkeit gehört oder gelesen habe, stieg ein ganz konkretes Bild von der Optik dieses Hasso von der Vogelweide in mir auf: So ziemlich haargenau das, was gestern in dieser Zeitung zum Interview mit dem ehemaligen Nölle-Wahlhelfer erschien. Bitte an Nikolai Wolff: Schick mir einen Abzug. Das gäbe jede Menge Kraft im Streben des älteren Menschen, solche „Forever young“-Typen aus dem Kassenprüfungsausschuß des Tennisclubs möglichst lange zu überleben!

Ulrich Reineking usw.

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