: Mehr Arbeit für weniger Geld
Wer sein Studium über einen Job finanzieren muß, soll künftig auch Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Die Folgen sind absehbar: Die Studiendauer wird noch länger ■ Aus Berlin Karin Flothmann
Peter studiert Pädagogik. Ein bis zweimal pro Woche steigt er in einen beigen Mercedes-Benz und kutschiert Fahrgäste kreuz und quer durch Berlin. Seit dem zweiten Semester und mittlerweile im sechsten Jahr verdient der 30jährige mit Taxifahren seinen Lebensunterhalt. Die Eltern schießen nur die Mietkosten hinzu. Sein Examen will Peter im nächsten Jahr in Angriff nehmen. Mit seinen 13 Semestern zählt er schon heute zu den viel geschmähten Langzeitstudenten.
Ob Peter seine Examenspläne im kommenden Jahr realisieren kann, bleibt fraglich. Denn ab 1997, so die Sparpaket-Pläne der Regierung, sollen StudentInnen, die jobben, wie alle anderen Berufstätigen Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen – zumindest dann, wenn sie in einem Monat mehr als 590 Mark verdienen. Zur Zeit verdient Peter im Schnitt 800 Mark pro Monat. Künftig kommt Peter nach Abzug des entsprechenden Arbeitnehmeranteils (derzeit 9,6 Prozent) am Monatsende also nur noch auf 723,20 Mark, die Rentenversicherung verschlingt 76,80 Mark. Im Jahr summiert sich sein Verlust somit auf 921,60 Mark.
Peter ist einer von rund 1,08 Millionen StudentInnen, die gelegentlich oder häufig jobben. 60 Prozent aller Studenten, zu diesem Ergebnis kommt die 14. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, arbeiten heute regelmäßig neben dem Studium. Sozialversicherungsbeiträge fallen für sie bisher nicht an, wenn die Arbeitszeit im Semester nicht mehr als 20 Stunden pro Woche beträgt. Bis zu einem monatlichen Einkommen von 1.476 Mark müssen Alleinstehende in diesem Jahr außerdem keine Steuern zahlen, denn dieser Betrag gilt als freigestelltes Existenzminimum.
Durchschnittlich verdienen die jobbenden StudentInnen monatlich 557 Mark in Westdeutschland (im Osten 331 Mark). Nur etwa 18 Prozent von ihnen, so die Studie des Studentenwerks, gehen schon während des Studiums professionell an den Job heran. Vereinzelt gründen sie eigene Unternehmen, etwa Softwarebüros, andere engagieren sich freiberuflich, etwa als Sprachlehrer oder Steuerberaterin. Mehr als die Hälfte aller Studenten finanziert sich durch reine Aushilfsjobs.
Den Arbeitgebern kommt das zupaß. Immerhin sind Studierende bisher eine willkommene und preiswerte Arbeitsmasse, die man je nach Bedarf wesentlich flexibler einsetzen kann als andere Arbeitnehmer. Der Rentenversicherungspflicht sehen sie daher mit gemischten Gefühlen entgegen, denn die verursacht neue Kosten.
Peter Zetzsche, Personalchef der Berliner Firma Zapf-Umzüge, hat dies schon durchgerechnet. Bei Zapf in Berlin jobben durchschnittlich 20 angehende Akademiker regelmäßig drei Tage pro Woche. Jeder Student verdient monatlich rund 1.000 Mark. Wenn die 20 Zapf-Studenten künftig Beiträge zur Rentenversicherung zahlen müssen, so beliefe sich der Arbeitgeberanteil für die Firma jährlich auf 23.040 Mark. Verzichten will man bei Zapf dennoch nicht auf die Studenten. Immerhin sind sie in der Regel am Wochenende einsetzbar, wenn es gilt, einen Umzug durchzuführen.
Bei Ikea in Kamen war die Rentenversicherungspflicht der Studenten schon Thema bei der letzten Betriebsversammlung. Immerhin arbeiten hier insgesamt 90 StudentInnen im Lager (17,80 Mark Stundenlohn) und an den Kassen (13,03 Mark Stundenlohn). Sie stellen damit mehr als ein Drittel aller 250 Beschäftigten. Als Geringverdiener, so meint die Berliner Ikea-Betriebsrätin Gabriela Malina, „ermöglichen Studenten dem Arbeitgeber natürlich, die Personaldecke dünn zu halten“. Begründet wird die Rentenversicherungspflicht für jobbende Studenten mit einer weiteren Bonner Sparmaßnahme: Denn künftig wird die Studienzeit nicht mehr bei der späteren Rentenberechnung berücksichtigt wie bisher. Deshalb, so meinen die Regierungspolitiker, sollten Studenten in Zukunft die Möglichkeit haben, schon in jungen Jahren Punkte für ihre künftige Rente zu sammeln. Der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Hans-Dieter Rinkens, hält diese Argumentation für „außerordentlich zynisch“. Vor allem die mangelnde finanzielle Absicherung zwinge Studierende doch erst dazu, neben dem Studium zu jobben. Das führe wiederum zu längeren Studienzeiten. Es sei höchste Zeit für eine Ausbildungsförderung, die es StudentInnen ermögliche, auch ohne den Nebenjob zu studieren.
Auch Rasmus Tenbergen, der Bundesvorsitzende des Rings Christlich Demokratischer Studenten, lehnt die Versicherungspflicht ab. Immerhin, so gibt er zu bedenken, „weiß doch niemand, ob diejenigen, die nun in die Rentenversicherung einzahlen müssen, davon überhaupt noch profitieren können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen