■ Normalzeit: „Wir pushen wie blöd“
... erklärte unlängst noch der Geschäftsführer des Batteriewerks Belfa, Thieme, und meinte damit seine nun auch von „Orwo“ übernommene „Nischen- und Private-Label-Strategie“. Jetzt pushte er sich jedoch frustriert selbst aus dem Betrieb und nach München zurück.
Der alte Belfa-Kampfgruppenkarrierist Krämer ist damit wieder Alleingeschäftsführer, und er ist der Meinung: „Wir müssen das Unternehmen am Leben erhalten, indem wir die Lohnkosten reduzieren“ – jedoch nicht die Gehaltskosten: Und also wurden in einer „Betriebsvereinbarung“ erst einmal die Lohngruppen der Arbeiter runtergesetzt.
Bei Belfa gibt es jedoch überhaupt nichts mehr zu forschen – und kaum noch etwas zu produzieren: Bis auf die „LR6“ werden alle Batterietypen von Varta gekauft und bei Belfa bloß noch umettikettiert. Denn – laut Krämer – „können wir so viel Batterien produzieren wie wir wollen, wir werden damit nie ein Plus machen“. Freilich auch nicht mit dem derzeitigen Etikettenschwindel und den noch 53 hochqualifizierten Mitarbeitern (35 mußten am 1. April gehen).
Und deswegen wurden die Urlaubs- und Weihnachtsgelder der noch Verbliebenen schon mal in (theoretische) „Frei-Zeit“ umgemünzt und ihre zwei letzten Tarifanpassungen in zinslose Darlehen an den Betrieb umgewandelt, der außerdem mit den Lohn- und Gehaltszahlungen drei Monate im Rückstand bleibt. Dieses „Bündnis für Arbeit“ muß gemäß dem Treuhand-Kaufvertrag mindestens bis zum 31. 12. 1997 aufrechterhalten werden.
Bei dieser „Perspektive“ ist es nur logisch, daß bis dahin die gehaltsempfangende Belfa-Leitungsebene (die 60 Prozent der Belegschaft ausmacht) zusammenhält gegenüber den lohnempfangenden Facharbeitern (40 Prozent). Zu der Intellektuellen- Seilschaft zählt seit dem Rausschmiß des Arbeiter-Betriebsratsvorsitzenden Hanns-Peter Hartmann auch dessen Nachfolger, Zink-Kohle-Chemiker Hajo Kiel – jetzt für Reklamationen zuständig –, der die „Betriebsvereinbarung (als Ergänzung zum Arbeitsvertrag)“ auf dem kurzen Dienstweg mit der Geschäftsleitung verabschiedete. Die Lohneinbußen bekamen die Beschäftigten nur mündlich mitgeteilt. Auch über die Anerkennung ihrer teilweise 30jährigen Betriebszugehörigkeit hatte es nur mündliche Zusagen von Geschäftsführer Thieme und Eigentümer Boeckeler gegeben. Das Bundesfinanzministerium wich der Frage aus und antwortete: „Abfindungsansprüche“ von den nach der Privatisierung gekündigten 35 sowie noch gekündigt werdenden Belfa-Mitarbeitern sind „Streitfragen“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Treuhand hat „hierauf keine Einflußmöglichkeit“. Helmut Höge
wird fortgesetzt
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