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Schicksalsmüde Engel

■ Allegorien privater Martyrien von der Hamburger Malerin Inge Pries

Traurig und ein bißchen aus der Zeit gefallen sind die Gestalten auf den Bildern von Inge Pries. Kein äußerlicher Glanz, kein modisches Medium steigert das Interesse an ihnen. Sie verlangen die Suche nach einer tieferen Bedeutung, ihrer Seele.

Der Glanz der Schönheit im Herzensgrund heißt deshalb die Ausstellung neuer Bilder und Zeichnungen der Hamburgerin in der Galerie von Cato Jans. Das Zitat verweist auf die Ästhetik des mittelalterlichen Ordensheiligen Bernhard von Clairvaux, und auch die altmeisterliche Malerei weiß um ihre Bezüge zu spätmittelalterlich-manieristischen Allegorien.

Wie schön, diesen unvollkommenen und verklemmten Figuren zu begegnen, denn der schicke Glanz der Schönheit an der Oberfläche ist doch schon lange kaum mehr auszuhalten. Introvertiert und ganz selbstverständlich stehen die Figuren herum, ähneln auf obsessive Weise dem, was sie lieben. Einer trägt für seinen Vogel ein Nest auf dem Kopf, eine Sitzstange am Ohr und ein Futternapf auf dem Schuh, andere treten in Beziehung zu Holzbock, Spinne, Eichhörnchen und Chamäleon. Sie alle sehen sich nun schüchtern, aber unaufgeregt der Öffentlichkeit gegenüber, als könnten sie gar nicht verstehen, was denn so besonderes an ihnen sei.

Selbst angesichts des gesprengten Triptychons derangierter Engel bekommt man Mitleid mit den postreligiösen Flügelwesen. Da schwebt nicht die allerschönste, jubelnde Jenseitsverheißung, da machen mütterliche, verhärmte Schutzgeister Dienst, die die Schicksalsfäden müde in den Händen halten und sich viel lieber strickend auf dem Sofa ihre Mokkatassensammlung anschauen würden, ehemalige Hausfrauen, die sie einst waren. Dabei weiß diese Malerei genau um die Kunstgeschichte. Die Landschaft am Rocksaum eines Engels und im Bildhintergrund ist dieselbe, das Abendrot der untergehenden Sonne gar nur auf der Bluse des Tageszeitengels präsent: surrealistische Paradoxie wie in den Bildern der Geistesgegenwart Rene Magrittes trifft sich mit Bildvisionen für theologisch verstandene Transzendenz, doch beides bleibt dem spröden Pragmatismus unterlegen, mit dem der Todesengel von seinem Flug durch feuchte Novemberwolken nasse Haare hat.

Das Leben ist nicht leicht auf den Bildern der Inge Pries. In ihrer Reihe der Martyrien überführt sie die blutrünstigen Körperstrafen der Kirchentradition in feinere, heutige Formen therapeutisch begleiteten Leidens. Von diesen Bildern ist hier das „Flaschen-martyrium“ zu sehen: eine Frau, zur Gänze von einer Glasflasche umgeben. Die Isolation scheint kaum überwindbar, umgibt doch der abgebrochene Flaschenhals ihren Hals mit scharfen Scherben: ein anrührende Allegorie der Depression.

„Gegen zu große Qualen wehren sie sich immer ein bißchen“, sagt Inge Pries über ihre Märtyrerinnen mit dem für sie typischen leisen Lächeln, mit dem die Künstlerin sentimentale Anflüge bricht und die Tragik ihrer Figuren in ironischen Witz überführt. Die Figuren scheinen ihr mitunter ähnlich, sind ihr jedenfalls ganz nah, sie spricht von den Bildern wie von Familienmitgliedern. Und so hat sie auch keine Probleme, die schmalen Hochformate theaterhaft im Raum zu inszenieren: Die Briefmarkensammlerin mit ihrem beklebten Kleid lehnt mit einem Brief in der Hand gleich neben dem Schreibtisch des Galeristen und „Frau Prof. Dr. E. Winser“ steht nicht nur selbstmordgefährdet über einem gemalten Abgrund, sie ist auch so zum Fenster positioniert, als wolle sie sich auf die realen Bahngleise stürzen. Hajo Schiff

Cato Jans, Klosterwall 19/21, Di-Fr, 12-17, Sa, 11-14 Uhr, bis 22. August. Kostenloser Telefonansagedienst mit mittelalterlichen Quellentexten: Der edle Katalog kostet 30 Mark.

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