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Gästezimmer der Stadt Hamburg

■ Rüdiger Salzmann machte den Warteraum der Ausländerbehörde für einen Abend zum Kunstwerk

Die Chinesen hatten eine Mauer gegen die Mongolen, die Römer bewachten den Limes gegen die Germanen, die Kreuzritter bauten sich Burgen gegen den Islam, die Ossis schließlich hatten den antifaschistischen Schutzwall – und doch fielen sie alle. Die heutige Festung Europa sieht anders aus: Mannshohe Drehkreuze und beindicke Trennbügel aus Edelstahl bändigen die neue Völkerwanderung, die in deutsche Amtsstuben drängt.

Der gekachelte Warteraum 1 der Ausländerbehörde im neuen Gebäude an der Amsinckstraße soll die Vielzahl der in Hamburg Asylsuchenden aufnehmen und kanalisieren. Millionen von Menschen, vor allem im Osten Europas, sind ausreisewillig. Die Spitzenzahlen von 500 000 Asylbwerbern sind auf 130 000 „heruntergerechnet“ worden, wie ein Mitarbeiter der Behörde beklagt: „Der Zuwanderungsdruck ist ungebrochen, aber es gibt nur Rechnerei und keine politische Lösung.“

Den Warteraum 1 dagegen als Gästezimmer der Stadt Hamburg zu bezeichnen bleibt einer Kunstaktion vorbehalten. Rüdiger Salzmann hatte für Donnerstag abend den unveränderten Raum als Ganzes zu einer Skulptur erklärt.

Vor einem halben Jahr war sein bloßer Name zweihundertmal in der Stadt plakatiert, der Hamburger Künstler dürfte also bekannt sein. Der Schüler von Franz Erhard Walther arbeitet mit situationistischen Kontextverschiebungen an vorgefundenen Orten. Und in der Tat entfaltet unter anderer Betrachtung das Defensiv-Design des Warteraums seine ganze Absurdität: Schwimmbad oder Schlachthof, Tresorzugang oder Gefängnisvorraum, alles scheint möglich zu sein. Vielleicht ist es auch der Filmset für die Staatsgrenze in einem tropischen Flughafen, denn wo sonst ist ein Raum mit so vielen Deckenventilatoren zu finden? Dabei gibt es an den hermetisch abgesicherten Schaltern nur eins: Nummern, die begehrten Eintrittskarten zum weiteren Procedere ab Warteraum 2. Für die einen ist es Alltag, für die anderen kafkaesk.

Für einen Abend nahm nun eine poetische Tat Form an: Mit Buffet und Wein seine Gäste bewirten, auf daß die Mühseligen und Beladenen zu uns kommen... welch schöner Gedanke. Aber im Ernst, wer wollte wirklich mit den Armen der Welt teilen? Das sparen wir uns doch lieber für Sonntagsreden auf und gehen schnell wieder zur Routine über.

So bleibt denn das Vorführen dieses absurden Designs eine Fußnote ungelöster Probleme, und auch engagierte Kunst wird dabei unfreiwillig zynisch. Dieser öffentliche Raum bleibt ein schwerer Brocken für den ästhetischen Diskurs. Daß „Warteraum“ auf türkisch „Bekleme odasi“ heißt, darf auch sprachjonglierend dekontextualisiert werden: Ein beklemmender Ort. Hajo Schiff

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