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: Alles drin außer Techno: die Kreuzberger Hofkonzerte

Gewagt, gewagt: Während ganz Berlin in kollektiven Techno- Taumel fällt, erlaubt sich das Podewil zaghafte Gegenwehr. Wie die Love Parade gehen die ursprünglich rein „Kreuzberger Hofkonzerte“ inzwischen ins achte Jahr, diesmal mit insgesamt 32 Konzerten: Jazz wird traditionsgemäß auf dem Gelände der Schultheiss- Brauerei am Kreuzberger Viktoriapark zu hören sein, Klassik im Podewil-Domizil in Mitte. Allerdings sind die Genregrenzen bloß vorgegeben, um von den eingeladenen Musikern übersprungen zu werden; das Programm crossovert mächtig zwischen den Stilen, und nicht immer sind die Zuordnungen zur einen oder anderen Richtung so ganz nachzuvollziehen.

Das ist beileibe nicht nur etwas für die hartgesottenen Anhänger des kontemplativen Musikgenusses, die höchstens mal nervös mit den Fingern gegen das Weinglas trommeln. Unter „Klassik“ firmiert auch der aus Birmingham angereiste A-capella-Chor The Black Voices, der schwarzstimmig Blues, Gospels, Spirituals und Eigenkompositionen präsentiert. Zum Repertoire der fünf Sängerinnen gehören sowohl Stücke der in diesem Kontext natürlich unvermeidlichen Beach Boys und Beatles als auch Lieder aus Afrika und der Karibik sowie soulige Kirchengesänge aus dem Süden der Staaten.

Dem Sakralen zugewandt hat sich auch das Dmitri-Pokrovsky- Vokalensemble, das religiöse russische Lieder und eigene, für das über die Grenzen Rußlands hinaus bekannte Ensemble komponierte zeitgenössische Werke vorträgt – in den letzten jahren etwa auf Peter-Gabriel-Platten, bei der Eröffnung der documenta 9 in Kassel sowie zur Nobelpreisverleihung an den Dalai Lama. So was faßt man hier gewöhnlich unter so problematische Begriffe wie Folklore oder, ja, Volksmusik zusammen, obwohl das natürlich eine Gemeinheit ist – so, als würde man Techno als deutschen Beitrag zur Weltmusik bezeichnen.

Obgleich Chefsänger Dmitri Pokrovsky kürzlich verstorben ist, kommt die Gruppe im August zum Abschluß der Hof-Konzertreihe nach Berlin. Den Auftakt des anspruchsvollen Musikfestes macht heute abend Viva La Black, das Jazz-Projekt des aus Südafrika stammenden Schlagzeugers Louis Maholo. Der Drummer, der seit 28 Jahren im britischen Exil lebt und erst vor drei Jahren zum erstenmal wieder in Südafrika auf die – „Freedom“ betitelte – Tournee ging, mixt Mainstream à la „What A Wonderful World“, traditionelle afrikanische Musik und Freejazz zu einer extrem eigenwilligen und schwer vitalen Fusion. Ein guter Grund also, den Weg uns Podewil zu trinken — nicht nur für die Weißweintrinkerfraktion. Daniel Bax

Kreuzberger Hofkonzerte, vom 12. 7. bis 31. 8., jeweils freitags und samstags ab 20 Uhr im Podewil, Klosterstraße 68/70, Mitte und im Schmiedehof der Schultheiss-Brauerei, Methfesselstraße 28–48, Kreuzberg. Louis Maholo heute und The Black Voices am 19. 7. im Podewil, das Dmitri-Pokrovsky-Ensemble am 30. 8. im Podewil und am 31. 8. in Kreuzberg.