■ Kommentare: Deutsche als Verkehrssünder i Immer im Recht
Als Polizistin habe ich die deutschen Verkehrssünder eigentlich am liebsten. Die haben immer ein Verhalten, das ganz nach Schema abläuft. Unschuldsmiene: „Hab' ich was angestellt? Kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Dann Brust heraus und die barsche Frage: „Wo steht denn das, daß ich das nicht darf?“ Oder: „Das müssen sie mir erst einmal beweisen.“ Zumal sie glauben, mit einer Frau in Uniform leichtes Spiel zu haben. Die einzige Alternative, die unserer Polizei Ausländern gegenüber da bleibt, ist die Drohung mit einer Beschlagnahmung des Fahrzeugs oder der Arrest. Ein zugegebenermaßen weit über den Anlaß hinausgehender Kanonenschlag, aber er wirkt. Nun kommt die Bittstellertour mit eingebautem Armesünderblick: „Ich seh's ja ein, tu's auch nicht wieder.“ Natürlich läßt man sie laufen, in aller Regel jedenfalls, mit strengem Blick und hinterher herzlichem Gelächter der Kollegen.
Der in seinem Auto wird seinerseits denken, die Spaghettifresserin hab' ich wieder mit meiner bewährten Tour über den Tisch gezogen. Ich weiß schon, wie ich wirke... Selbst Frauen am Steuer sind sich sicher, daß nur ihr Charme auf eine latente Lesbierin gewirkt hat und nicht meine Unlust, ein langes Protokoll zu schreiben. Und so hat jeder sein Erfolgserlebnis. Schweizer, Österreicher, Amerikaner, Engländer und gar Franzosen sind nicht so leicht auszurechnen – da geht manch einer lieber eine Nacht in den Knast, als nachzugeben. Deutsche nicht, die halten Recht für eine biegsame Sache.
Als ich noch kein Deutsch konnte, schienen mir die Deutschen ein Volk zum Fürchten zu sein. Tausende Male habe ich dieses „aus Prinzip“ gehört. Man fragt nicht, ob man den Unfall hätte vermeiden können, sondern behauptet, daß man „doch die Vorfahrt hatte“. Und ein Satz wie, „der hat Sie einfach nicht bemerkt“, kann Deutsche bis zur Weißglut reizen – wo doch vorgeschrieben ist, daß der einen bemerken muß. Als ich dann Deutsch lernte, wurde mir klar, daß viel vom Ton abhängt. Den Doppelcharakter polizeilicher Kultur kennen sie von zu Hause: Unfreundliche Polizisten heißen in Deutschland „Bullen“, umgängliche Ordnungshüter dagegen sind dein Freund und Helfer. Italiens Polizisten sind eher zur Repression ausgebildet.
Grüße ich nun mit einem freundlichen deutschen „Guten Tag“ und erkläre, daß „Sie leider einen Hunderter berappen müssen, weil Sie da vorne zu schnell gefahren sind“, klappt es meist ohne Murren. Trete ich dagegen mit der Amtsmiene an, regt sich offenbar ein innerer Widerstand, der die erwähnten Etappen durchläuft. Um ehrlich zu sein: Obwohl sich der freundliche Umgangston empfiehlt, lege ich den keineswegs immer an den Tag. Ich weiß auch nicht recht, aber manchmal hab ich einfach keine Lust dazu. Außerdem bringt uns Polizisten hier das erwähnte Schema ja auch Spaß. Francesca Rossi
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