: Grüße von ganz oben
Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daß der Regierende Bürgermeister vom Meteoriten erschlagen wird, diskutiert die Meteoritical Society ■ Von Kirsten Niemann
Was sind das eigentlich für Dinge, die da hin und wieder vom Himmel fallen? Was passiert in so einem Fall eigentlich auf der Erde? Welche chemischen und physikalischen Prozesse treten da in Kraft? Tragen Meteoriten organische Substanzen in sich, und, wenn ja, was kann man daraus schließen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß unser Regierender Bürgermeister in seiner Mittagspause von einem Himmelskörper erschlagen wird? Wird man ihn vorher warnen können?
Alles Fragen, die nur wenige Tage nach dem „Ding aus der Wuhlheide“ geradezu brisant aktuell sind. Dort hatte ein unbekanntes Flugobjekt ein Dach im dortigen Wasserwerk durchschlagen. Mit Angelegenheiten dieser Art beschäftigt sich die „Meteoritical Society“, die jetzt erstmals in Berlin tagt.
Gegründet haben die Society im Jahr 1933 in den USA einige interessierte Laien. Heute besteht sie aus den bedeutendsten Kosmosforschern diesseits der Milchstraße, mit dem Hauptsitz des „Lunar and Planetary Instituts“ (LPI) in Houston/Texas.
Rund 360 Planetenwissenschaftler aus 17 Ländern werden erwartet. „Das wird eine Herausforderung für uns im progressiven Sinne“, meint André Neumann, der Sekretär des Organisationskomitees für den Kongreß. Daß die Wahl auf Berlin fiel, ist nicht allein der Tatsache zu verdanken, daß der Leiter des Naturkundemuseums, Prof. Dr. Dieter Stoeffler, gleichzeitig Vizepräsident der Meteoritical Society ist. Darüber hinaus birgt das Museum die größte Meteoritensammlung Europas, die es vor allem dem ersten Meteoritensammler Ernst Florens Friedrich Chladni (1756–1827) zu verdanken hat.
Jener Chladni war eigentlich ein Sonderling, der sich seinen Lebensunterhalt dadurch verdiente, daß er als „Bildungsreisender“ mit einem Planwagen voller Meteoriten und eigens erfundenen Musikinstrumenten – sozusagen als „reisendes Urania-Vortragsunternehmen“ – durch Europa zog. Seine Instrumente, wie beispielsweise feuchtbetriebenes Euphon („Wohlklinger“) und Clavizylinder, konnten sich allerdings nie so recht durchsetzen. Doch als Autor des Buchs mit dem Bandwurmtitel „Über den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen, und über einige damit in Verbindung stehende Naturerscheinungen“ hat er eine Kontroverse unter den Naturwissenschaftlern ausgelöst: Er war der erste, der jene unaufgeklärten Erscheinungen wie Sternschnuppen, Feuerkugeln, vom Himmel gefallene Steine und Eisenmassen als „kosmische Erscheinungen“ zusammenfaßte. In der Sonderausstellung im Naturkundemuseum kann man seine Steine bewundern und auch die eine oder andere kuriose Klangapparatur.
Natürlich zweifelt heute niemand mehr an der Existenz von Meteoriten. Doch nach wie vor sind viele Fragen offen. War es ein gigantischer Meteorit, der vor rund 65 Millionen Jahren in Mexiko aufschlug und somit für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war? „In unserem Hause schließt man sich mehrheitlich dieser Theorie an“, sagt Neumann. Doch was sagen die Experten über die Wahrscheinlichkeit, daß ein Himmelskörper noch in diesem Jahrtausend auf Berlin fallen könnte? Kann man ausrechnen: Bei ungefähr 1.500 Meteoriten, die jährlich auf die Erde treffen (es werden jedoch nur 20 bis 30 gefunden), ist die Wahrscheinlichkeit, im Lotto eine Million abzuzocken, immer noch größer, als daß es da einen aus dem Roten Rathaus von oben erwischt.
PS: Nicht aus einer fremden Galaxie, sondern vom Nachbargrundstück stammt das „Ding von der Wuhlheide“, ergab jetzt die Untersuchung. Das 316 Gramm schwere Metallstück gehört zu einer zwanzig Meter vom Fundort entfernten Schredderanlage. Kirsten Niemann
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