Der liebe Gott bestraft uns

Der Deutsche wankt, weicht aber nicht: Emil Beck bürstet die wegen Goldentzugs murrende Öffentlichkeit souverän ab – doch nun lahmt auch noch Rembrandt ■ Von Peter Unfried

Jetzt lahmt auch noch der erste Wallach, der sich jemals einen Olympia-Start per Einstweiliger Verfügung erstritten hat! Man malt nicht schwarz, wenn man sagt, daß es um Rembrandts rechten Vorderhuf gar nicht gut aussieht. Kein Wunder: Der Bursche (vormals viermal Gold) ist jetzt 19.

Franziska van Almsick (18) sieht auch nicht gut aus. Die goldlose Schwimmerin weint, „als wäre jetzt ihr Leben verpfuscht“, hat Bild beobachtet. Das NOK, die Verbände, das Fernsehen: kurz, wir, die Öffentlichkeit, haben aber auch bisweilen schon gemurrt. Hatten nämlich die Judoerei, das Kleinkaliberschießen, die Lagen- Staffel und auch das Ringen nächtelang studiert – und zumindest bis gestern tief in den Abend hinein immer noch kein Gold dafür bekommen. Wolf-Dieter Poschmann (ZDF) forderte von den Außenreportern zwar das edelste Metall ein. Doch da kam er bei Norbert König (Fechten) an den richtigen!

„Wenn einmal der Wurm drin ist“, sagt Anja Fichtel (vormals Doppel-Olympiasiegerin), „dann ist er kräftig drin.“ Nun soll hier nicht die Rede davon sein, wie zerstritten die deutschen Fechter, die Schwimmer, teilweise auch die Wallache sind. Und wie sehr sie damit vom bewährten Erfolgsprinzip Kohl/Vogts abweichlern. Es handelt sich vielmehr, wie man leicht erraten kann, um eine internationale Verschwörung. Ein Russe hat einem schnauzbärtigen Ostalb-Polizisten den Arm herumgedreht, bis es geknackt hat. Mehr als Silber war da nicht mehr drin. Und die Iren haben ihre Smith zu spät gemeldet. Deutscher Protest? Ha, natürlich abgelehnt! „Irgendwie ist das unfair“, findet nicht nur Dagmar Hase (vormals Olympiasiegerin). Nun ist Hase Zweite. Aber Silber gibt's genug.

Zwölf Medaillen hatten die Deutschen (bis gestern abend), nur die USA mehr. Keine war aus Gold. Woraus folgte: Im Medaillenspiegel, den es nicht gibt, nur Platz 16 hinter (u.a.) Türkei! Italien! Irland! Kasachstan! Costa Rica! „Der liebe Gott hat uns doppelt bestraft“, sagt Schwimmer Steffen Zesner. Nur, was meint er? Ihn mit Franziska und die mit ihm? Uns doppelte Deutsche mit uns?

Oder mit Bernhard Poll? Der ist ein deutscher Wirtschaftsflüchtling, der sich nach Costa Rica absetzte. Nun holte die Tochter Schwimm-Gold. Vor Völker (Hamburg). „Akne oder doch schon Bartwuchs“? Wäre Poll deutsch, hätte dpa auch die Frage nicht gestellt. Zugegeben: Auch das Innenministerium hat ein paar Freunde eingedeutscht. Doch Kutscherenko, Yildiz, Strzalka haben nichts gewonnen. Nach der Kalkulation schulden sie uns zehn Medaillen. 479 AthletInnen hat das Innenministerium ausgeschickt, es „im Karton rappeln zu lassen“, wie der stellvertretende Chef de Mission, Armin Baumert, das nennt. In Barcelona rappelte es 33mal golden! Platz drei im Medaillenspiegel, den es nicht gibt. Nun wollte man eigentlich nach Platz zwei schielen, im Medaillenspiegel, den es nicht gibt.

Aber selbst auf einen „Bulle“ gerufenen Ringer aus Frankfurt (Oder) (vormals Olympiasieger) ist kein Verlaß mehr. Und fühlen sich Schützen (vormals Olympiasieger) „wie Hürdenläufer, die an der letzten Hürde stürzen“. Und schießen solcherart verwirrt etwas rechts neben das Zentrum.

Dort aber steht zufällig einer, der in der Tristesse die Übersicht behält: „Es ist bedauerlich“, sagt Emil Beck, „daß bei Olympischen Spielen offenbar nur Medaillen zählen.“ Das wäre ja, als zählte beim Friseur nur das Haareschneiden! Das sagt der strenge Cheftrainer („Kaugummikauen verpönt bis verboten“ – Bild) der bis heute nacht medaillenlosen Fechter (1984: 2-3-0, 1988: 3-3-1, 1992: 2-1-0) aber nicht. Er sagt vielmehr: „Daß ich nicht lache!“ Und er sagt, mathematisch nicht zu widerlegen: „Nur weil uns eine Goldmedaille fehlt, stehen wir im Medaillenspiegel noch etwas hinten.“ Und er sagt philosophisch: „Totgesagte leben länger!“ Genau: Über den Deutschen sagt der Reporter Angermann gern: „Er wankt, aber er weicht nicht!“ Da konnten die beiden noch nicht wissen, daß zuletzt auch noch während des Spiels eine deutsche Frau ihren Rock verlor.