piwik no script img

„Ein Relaunch für den Markenartikel Republikaner“

Frühere Funktionäre der Reps wollen die Partei auflösen und die Rechte vereinigen. Die Rechtsextremen diskutieren ihre Pläne an Runden Tischen  ■ Von Bernd Siegler

Für die deutsche Parteienlandschaft wäre die Gründung der Partei „Vereinigte Rechte vergleichbar mit einem mittleren Erdbeben“. Seit Wochen arbeitet der 70jährige Leo Thenn aus Pforzheim an dem Projekt der Fusion der rechtsextremen Parteien. Er will die „Republikaner“ (Rep), die NPD, die DVU, die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ (DLVH), die „Deutschen Konservativen“ und den „Bund freier Bürger“ unter einen Hut bringen. Deutschland soll so vor „ungebremster Einwanderung“ und den „ausländischen Kriminellen“ gerettet werden.

Thenn will seine Erfahrungen als ehemaliger Verkaufsleiter des Waschmittelkonzerns Unilever- Sunlicht einbringen. Das hatte er bei den Republikanern schon gemacht. Unter seinem Wahlkampfmanagement landete die Rechtsaußenpartei bei den Landtagswahlen 1992 in Baden-Württemberg mit 10,9 Prozent der Stimmen einen sensationellen Wahlerfolg. Thenn erhielt die silberne Ehrennadel der Partei, er wurde zum Bundeswahlkampfleiter der „Republikaner“ ernannt.

Nach der Bundestagswahl 1994, die für die Reps mit gerade mal 1,7 Prozent kräftig danebenging, zog sich Thenn zurück. Es gab ihm zu denken, daß selbst der Kölner Verfassungsschutz in seinem Bericht die Zerstrittenheit der Rechten als Grund für deren Mißerfolg ansah.

Zu diesem Zeitpunkt saßen schon längst andere in den Startlöchern. Innerhalb der von ehemaligen Rep- und NPD-Funktionären gegründeten DLVH versuchte man eine Vereinigung der Rechten herbeizureden. Mit dem Magazin Nation + Europa, das allmonatlich in 15.000facher Auflage in Coburg erscheint, besaß man dabei ein wichtiges Verbreitungsorgan. Schließlich schloß sich auch der nach seinem Tête-à-tête mit dem DVU-Chef Gerhard Frey aus den „Republikanern“ ausgetretene Parteichef Franz Schönhuber der Bewegung an.

Rechte Blätter fördern eine „Vereinigte Rechte“

In regelmäßigen Kolumnen rechnete Schönhuber nicht nur mit seinem Nachfolger Rolf Schlierer und dessen Abgrenzungsstrategie zu anderen Rechtsparteien ab, sondern plädierte für ein Annäherung und Kooperation der zerstrittenen Parteien. „Während die nationalen Kräfte in Frankreich, Belgien und Italien im stürmischen Aufwind sind, hängen bei uns die Fahnen schlaff in politischer Flaute“, lamentierte der einst populäre Mann und gab als Ziel eine „Vereinigte Rechte“ aus. Die sollte 1998 geschlossen zur Bundestagswahl antreten. Bis dahin wolle er „im vorpolitischen Raum“ wirken.

Genau dort sind die Runden Tische angesiedelt. Seit Juni 1995 treffen sich in diversen illustren Runden Aktivisten der verschiedenen Rechtsaußenparteien zu Strategietreffen, meist initiiert von der DLVH und publizistisch begleitet von Nation + Europa und dem Kölner rechtsextremen Magazin Europa vorn.

Während der Rep-Bundesvorstand weiterhin „jede Form von Zusammenarbeit mit Parteien der alten Rechten ablehnt“, verstoßen die Aktivisten der Basis ungeniert gegen diese Abgrenzungsbeschlüsse. Es hagelt daher Parteiausschlußverfahren. Gerade nach seinem erneuten Wahlerfolg in Baden-Württemberg im März dieses Jahres mit 9,1 Prozent will Rep- Chef Schlierer den „Popanz der Runden Tische“ schnellstmöglich beenden. Der Stuttgarter Rechtsanwalt wirft deren Initiatoren vor, die Arbeit des Verfassungsschutzes zu erledigen und die Partei, die er auf dem besten Wege zu einer „modernen rechten Partei“ wähnt, zerstören zu wollen.

Schützenhilfe erhält Schlierer von der Jungen Freiheit (JF), jenem Wochenblatt, in dem immer wieder Parlamentarier und Funktionäre der Unionsparteien Seite an Seite mit ausgewiesenen Rechtsextremisten publizieren. In der JF vermutet man „subversive und auch extremistische Kreise“ hinter den Runden Tischen. Hatte man zuvor alles auf die Karte einer national gewendeten FDP gesetzt, rät man Schlierer jetzt, die „Runden Tische in den eigenen Reihen zu verdrängen“, um den Erfolg vom März zu einem „fördernden Beitrag für den politischen Erfolg der demokratischen Rechten“ zu machen.

Bei den Reps hagelte es Parteiausschlüsse

Doch trotz der gestärkten Position Schlierers nach dem Erfolg im „Ländle“ sind die Runden Tische nicht am Ende. Nach dem Führungswechsel innerhalb der NPD, die den wegen seiner Auschwitz- Leugnung zum wiederholten Mal verurteilten Günter Deckert durch den bayerischen Landeschef Udo Voigt ersetzte, nimmt die NPD Kurs auf die „Vereinigte Rechte“. Die DLVH kündigte ihre Selbstauflösung als Partei an, um zukünftig auf „überparteilicher Ebene“ für die Einigung zu wirken, und der einst in der Friedensbewegung aktive Alfred Mechtersheimer kämpft inzwischen ebenfalls für eine „nationale Bewegung für Deutschland“.

Dies könnte die Führungsspitze der Reps gelassen hinnehmen, wenn nicht auch eigene, einst beliebte und gefeierte hochrangige Parteifunktionäre für eine Vereinigung plädierten. Als Leo Thenn sein neunseitiges Papier mit dem Titel „Pforzheimer Modell“ in der Republik verschickte, hoffte Baden-Württembergs Rep-Chef Christian Käs zunächst noch, die „Irrwege eines ehemals verdienten Mitglieds“ korrigieren zu können. Doch Thenn beharrte auf seiner Forderung nach „Liquidierung“ aller Rechtsparteien einschließlich der Reps und Fusion zu einer neuen politischen Kraft. Die Deutsche Wochenzeitung von DVU- Chef Frey sollte zum offiziellen Organ der neuen Partei werden.

Die Reps schlossen Thenn kurzerhand wegen „parteischädigendem Verhalten“ aus: Der Pforzheimer habe sich zum „Werkzeug des politischen Gegners“ gemacht und die „Beseitigung der einzigen erfolgreichen rechten Partei in Deutschland“ gefordert.

Dabei hatte Thenn in seinem Vorschlag zwar die Auflösung der Reps gefordert. Er wollte aber der Rechtspartei eine federführende Stellung innerhalb der neuen Organisation einräumen. Er hält den Parteinamen „Republikaner“ für „kriminalisiert und stigmatisiert“. Als Marketingexperte weiß er: „Auch bei bekannten Markenartikeln erleben wir Verbraucher in gewissen Zeitabständen einen Relaunch – eine neue Verpackung, eine andere Werbeaussage, eine Qualitätsverbesserung.“

Thenn will jedoch nicht nur den „jungfräulich unbeschädigten“ Namen der „Vereinigten Rechten“ ins Spiel bringen. Er hält den Schlierer-Kurs einer Annäherung an die Union für insgesamt gescheitert. Er will „markantes nationales Profil“, eine Mixtur aus Geschichtsrevisionismus sowie Kampf gegen die Europäische Union und gegen die „Landnahme ganzer Stadtviertel durch Ausländer“. Eines kalkuliert Thenn mit ein: „Die Vereinigte Rechte wird das Lieblingsziel des deutschen Verfassungsschutzes werden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen