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■ Nicht kleinzukriegen: Der KleinkriegSchwerter zu Blumenwasser

Der Kleinkrieg gehört zum Leben dazu wie das Fischstäbchen zu Käpt'n Iglo. Wo immer zwei oder mehr Menschen auf einem Haufen hocken, bricht er geradezu naturgesetzmäßig aus: in Büros und ehelichen Lebensgemeinschaften, Kleingartenkolonien und Kaninchenzüchtervereinsvorständen – das Piesacken und Schikanieren ist allgegenwärtig.

Die Gründe für eine Kriegserklärung sind vielfältig. Man hat davon gehört, daß Fremdsprachenkorrespondentinnen ihren Kolleginnen in Großraumbüros gerne die Benutzung fremder Kaffeetassen vorwerfen, um die Generalmobilmachung anzuordnen. Unter Wohnungsnachbarn wiederum erfreut sich eine fast unmerkliche Schlampigkeit bei der Treppenhausreinigung als Kriegsanlaß einer großen Beliebtheit. Bei Kegelbrüdern ist es Sitte, dem Kombattanten in spe einen Fehler beim Aufschreiben zu unterstellen, und in Abendschulklassen genügt oft schon eine abfällige Bemerkung über den FC Bayern München, um sich veritable Intimfeinde zu machen. Genausogut taugen freilich im Nachbargarten wucherndes Unkraut, im Treppenhaus abgestellte Schuhe oder eine gewisse Lässigkeit bei der Mülltrennung zur Kriegsursache. Es gilt der alte Clausewitzsche Merksatz: Man muß das Scharmützel nur wollen – ein Grund findet sich allemal.

Geführt wird der Kleinkrieg im allgemeinen als klassischer Grabenkrieg, der Jahre oder auch ein ganzes Leben dauern kann. Im Klartext: Der Kleinkrieg kennt keine dauerhaften Erfolge. Statt dessen pflegen sich die Rivalen in die Erde zu buddeln und eine Salve nach der anderen abzufeuern. Zwar landet dieser und jener dabei bisweilen einen durchaus empfindlichen Treffer – im Regelfall jedoch erholt sich der Kontrahent schnell, um daraufhin zu einem besonders perfiden Gegenschlag auszuholen. So ist der Kleinkrieg zwar potentiell auf die Pulverisierung des Widersachers angelegt – er führt aber nur selten dazu, daß dieser sich zermürbt und verzeifelt eine Kugel in den Kopf schießt oder von einem Rollkommando der psychiatrischen Klinik eingefangen wird. Sackt einer der Heißsporne dennoch urplötzlich vom Schlag getroffen in sich zusammen, so wird sein Gegner zwar kurzfristig von einem überwältigenden Triumphgefühl in Hochstimmung versetzt. Nach wenigen Tagen aber vergeht ihm die Champagnerlaune. Er spürt, daß ihm etwas fehlt, und sucht sodann sehr schnell nach einem neuen Antagonisten.

So mannigfaltig wie die Fehdegründe sind die Waffen, die im Kleinkrieg zum Einsatz kommen. Während Ehefrauen gerne – und angeblich aus Versehen – bei Fußballübertragungen Blumenwasser in den Fernseher gießen, neigen Eigenheimbesitzer dazu, die quakenden Frösche in Nachbars Biotop vermittels einer gehörigen Ladung „Abflußfrei“ zum Schweigen zu bringen. In Mehrfamilienhäusern wiederum versucht man die mißliebige Mitkreatur mit einem infernalischen Gestank in den Wahnsinn zu treiben, indem man täglich alte Fischköpfe in wenig Wasser zerkocht. Das ist zwar nach der Genfer Kleinkriegskonvention verboten. Aber auf solche Kinkerlitzchen kann man bei der täglichen Feldschlacht nun wirklich keine Rücksicht nehmen. Joachim Schulz

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